Siemens will Schadenersatz: "Das passt in den Kulturwandel"

Manager müssen heute nicht mehr nur verantworten, was sie tun, sondern auch, was sie unterlassen, meint die Managerexpertin Saskia Freye. Ändert das den Kapitalismus?

Schon old school? Beliebtes Handzeichen von Managern Bild: dpa

taz: Frau Freye, Siemens verklagt Heinrich von Pierer und andere Exvorstände auf Schadensersatz. Ist das Show oder vorauseilender Gehorsam?

Saskia Freye: Nein, Show ist es gar nicht, sondern höchst bemerkenswert. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass da wirklich was rauskommt. Zugleich betreibt Siemens auch so etwas wie vorauseilenden Gehorsam. Denn die Börsenaufsicht in New York, die SEC, schaut gerade sehr genau hin, was hier passiert. Da geht es um die Höhe der Strafzahlungen und die Zukunft des Konzerns. Zugleich kommt Siemens so möglichen Klagen von Aktionären zuvor.

Geht es den Schurkenmanagern jetzt an den Kragen?

Ja, und die Definition wird enger gefasst: Man wird nicht nur für eigene Handlungen haftbar gemacht, sondern auch dafür, was man versäumt hat zu tun. Das passt in den Kulturwandel bei Managern. In den Topetagen der Aktiengesellschaften ist seit den 90er Jahren eine deutliche Fluktuation zu beobachten. Vorstandschefs werden schneller ausgetauscht, die Amtszeiten sinken beständig.

Und es kommen, wie bei Siemens, Manager von außen?

Bei Siemens spielt es womöglich eine Rolle, dass mit Peter Löscher ein echter Außenseiter an die Spitze des Vorstands gerückt ist.

Was heißt das allgemein für Manager?

Manager müssen sich heute viel stärker beweisen, ihre Leistung wird stärker nach vorne gerückt. Es ist nicht nur die Öffentlichkeit, die genau hinschaut, welche Boni man sich zugesteht oder welche Ablösen bezahlt werden. Die Elite beäugt sich inzwischen gegenseitig. Eine Schadensersatzklage gegen Vorgänger - so etwas hätte man früher in den Managernetzwerken anders geregelt.

Schön, aber hat das Auswirkungen auf das Verhalten von Managern?

Mit dem Blick auf den Aktienkurs ist es nicht getan. Der Job ist viel komplexer geworden, weil man für die Praktiken des Unternehmens Verantwortung tragen muss. Damit gewinnt eine langfristige Perspektive wieder an Bedeutung - die mit Kurzfristzielen in Einklang gebracht werden muss.

Was bedeutet der Regress für den Shareholder-Value-Kapitalismus?

Erst mal ist das im Sinne der Aktionäre - denn der Kurs eines Unternehmens ist ja auch kurzfristig stark davon abhängig, ob ein Korruptionsskandal wie jetzt bei Siemens dem Ansehen des Unternehmens Schaden zufügt.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.