: Sieben Minuten für Bush
■ Heute tritt der US-Präsident in Rio auf
Rio de Janeiro (dpa) — US-Präsident George Bush tritt am Freitag in einer heiklen Mission an das Pult des Umweltgipfels von Rio. In einer nur kurzen Rede — jedem Land stehen sieben Minuten zu — muß er vor dem stattlichen Publikum von etwa 120 Staats- und Regierungschefs versuchen, verlorengegangenen Boden wieder gutzumachen. Doch es dürfte ihm schwerlich gelingen. Zu sehr hat das Ansehen der Weltmacht mit dem einst so pompös verkündeten Anspruch auf eine „Neue Weltordnung“ bei der Mammutkonferenz über eine gemeinsame Zukunftssicherung des Nordens und des Südens gelitten. Dieser Brückenschlag zwischen Nord und Süd, soweit er gegenwärtig überhaupt zu leisten ist, vollzieht sich weitgehend ohne und großenteils gegen die USA.
Auf kaum einem der wichtigeren Felder konnte Washington trotz zäher Pokertaktik in den Rio-Verhandlungen einen entscheidenden Stich kassieren. Der US-amerikanischen Absage an die Konvention zum Schutz der Artenvielfalt folgten die befreundeten Staaten zur herben Enttäuschung der USA nicht. Die von Washington betriebene Verwässerung der Klima-Konvention gibt der EG am Freitag die Gelegenheit, während der Anwesenheit von Bush „andere Industrieländer“ zu verbindlicherem Engagement bei der Bekämpfung der Treibhausgase zu drängen. Damit sind gerade die USA gemeint. Und beim Waldschutz, den die Vereinigten Staaten sich als (einzige) Feder noch an den Hut stecken könnten, schleppen sich die Verhandlungen angesichts des Widerstandes der Tropenholzländer mühsam dahin.
Unterhändler und Beobachter kamen bereits zu dem Schluß, der Rio- Umweltgipfel sei die erste Weltkonferenz ohne Supermacht. Denn die USA können nicht mehr unbedingt auf ihre „Verbündeten“ setzen und eckten in den Detailstreitigkeiten wiederholt an. Der Manager des Verhandlungsmarathons, Tommy Koh aus Singapur, mußte die USA sogar auffordern, nicht gänzlich neue Texte vorzulegen, „denn wir sind nun nicht mehr in den Vorverhandlungen.“
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