piwik no script img

Sicheres SurfenProvider sabotieren Internetüberwachung

In Schweden werden IP-Nummern und Verbindungsdaten einfach gar nicht mehr gespeichert. So können die Provider den Kunden vor Internetüberwachung schützen.

Sicher Surfen in Schweden. Bild: dpa

STOCKHOLM taz | Die schwedischen Internetprovider haben ein neues Reklameargument: Wir umgehen die Internetüberwachung, bei uns wird der Kunde nicht registriert.

Am 1. April ist in Schweden ein neues Gesetz in Kraft getreten. Mit dem „Ipred“-Gesetz ist auch im bisherigen Filesharing-„Paradies“ der Tausch von Musik und Filmen über Filesharingseiten riskanter geworden. Die Unterhaltungsbranche hat nun auch in Schweden das Recht, bei den Internetprovidern Auskunft über die Person zu erhalten, die hinter der IP-Adresse eines Rechners steht.

Bislang war das nur bei Straftaten möglich, für die im Falle einer Verurteilung Haftstrafen drohten. Eine Rechtsfolge, die es beim Download einzelner copyrightgeschützter Filme oder Musikstücke in Schweden aber nicht gibt. Deshalb lehnten die Gerichte entsprechende Anträge gegen Internetprovider auf Herausgabe der Userdaten hinter bestimmten IP-Nummern bislang auch ab. Nun reicht eine drohende Geldbuße, damit die Unterhaltungsbranche bei Gericht mit einem Verfahren um eine solche De-Anonymisierung Erfolg haben kann.

Das hat die UserInnen vorsichtig werden lassen. Beinahe eine Halbierung der Internetnutzung in den ersten beiden Aprilwochen verzeichneten die Anbieter von Breitbanddiensten in Schweden im Vergleich mit den letzten Märzwochen. Wobei allerdings die Gesamtzahl der InternetuserInnen, die Daten tauschen, kaum zurückgegangen ist. „Der große Unterschied liegt in der Menge der Downloads“, sagt Jon Lindén, Marktchef der IT-Firma Procera, welche die Untersuchung gemacht hat. Es werde offenbar nicht mehr planlos alles mögliche Material von den Filesharingseiten heruntergeladen, sondern man scheint wählerischer geworden zu sein.

Das hat vermutlich mit der Ankündigung der Musik- und Filmbranchenorganisationen zu tun; man habe nicht in erster Linie ein Interesse, einzelne Internetuser vor Gericht zu bringen, sondern man wolle die großen Uploader treffen, die das urheberrechtlich geschützte Material ins Netz schaufeln. Doch die lassen sich offenbar nicht beeindrucken. Die Uploads auf die populären Filesharingseiten weisen nach den Procera-Messungen so gut wie keine rückläufige Tendenz auf. Lindén: „Die großen Uploader sind meist Personen mit hoher technischer Kompetenz. Sie haben ihre Identität schon lange so gut geschützt, dass sie sich wohl wegen der neuen Gesetzeslage ganz einfach keine Sorgen machen müssen.“

Keine Sorgen müssen sich aber auch die Internetuser machen, die beim „richtigen“ Internetprovider Kunde sind. Erst hatten mehrere kleinere Anbieter die Gesetzeslücke entdeckt: Es gibt bislang in Schweden überhaupt keine Verpflichtung, IP-Adressen und Verbindungsdaten der KundInnen zu lagern. Das Gesetz, diese herausgeben zu müssen, läuft also ins Leere, wenn die Internetlieferanten diese Daten umgehend wieder löschen. Und das praktiziert mittlerweile ein halbes Dutzend der Provider.

In dieser Woche schloss sich auch der zweitgrößte Internetlieferant „Tele 2“ an. „Wir wollen die Integrität der Kunden schützen“, begründete „Tele 2“-Chef Niclas Palmstierna diesen Schritt. Früher habe man die Daten für internen Gebrauch gespeichert, damit höre man nun auf. Und unumwunden gibt er zu: Das habe auch mit der Konkurrenzsituation zu tun.

Standhaft ist noch der Marktführer „Telia“. Aber dafür steht der auch noch teilweise im staatlichen Eigentum. Doch selbst bei ihm klingt es nun anders als vor zwei Wochen. Da deklarierte man noch, „natürlich“ werde man sich an das Gesetz halten und „der Polizei helfen“. Nun ist davon die Rede, dass man „den Markt sorgfältig beobachten“ wolle.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • BE
    Ben Erman

    Nicht jammern - was dagegen tun.

     

    http://tinyurl.com/dceu73

     

    unterschreiben und den Link weiter verbreiten !

  • VW
    V wie Vendetta

    Es gibt keine illegalen oder legalen Dateien. Dateien sind immer neutral.

    Und es gibt auch keine illegalen Downloads.

    Es sei denn Ihr erlaubt Euer Regierung, Gesetze gegen den Willen des Volkes zu machen... dann seid Ihr aber selber schuld!

  • KI
    Karl Ilnyzckyj

    Frage an Reinhard Wolff:

    Wie kann ein Internet-Surfer "legale" von ilegalen" Dateien unterscheiden?

  • L
    Lukas

    Ich frage mich wie sie die Uploader bekommen wollen. Die meisten sitzten doch sowieso im Ausland. Also Schweiz, Afrikanische Länder oder Russland in dennen es nicht verboten ist Daten zu tauschen. Die Musik- und Filmbranche sollte lieber mal einen Gedanken "verschwenden"(oder anderst gesagt sinnvoll Nutzen) wie sie den Käufer IHR Prokdukt wieder interessant machen können anstatt unmengen an Energie und Geld in langjährigen und immer unterschiedlich ausfallenden Rechtssprüchen zu vergeuden.

  • J
    Jan

    ich denke in deutschland wäre ein provider erfolgreich der mit "lückenlosen sperren problematischen materials" werben würde, sowie mit "umfassender speicherung personenbezogener daten zum zwecke eventueller strafverfolgung".

     

    alle anderen provider machen sich verdächtig kipoo zu unterstützen.