Shortlist für den Deutschen Buchpreis: Zu wenig schimmernder Dunst
Zwei Favoriten und vier Außenseiter stehen auf der Shortlist für den Buchpreis. Doch die hat einen Makel: Der Roman, der gerade in aller Munde ist, befindet sich nicht darunter.
In einem Punkt hat die diesjährige Jury Pech gehabt. Sie übersah den Roman, der gerade besonders gern gelesen, verschenkt, ausgeliehen und per Besprechungen und Mundpropaganda weiterempfohlen wird: "Schimmernder Dunst über Coby County" von Leif Randt. Dieses Buch stand nicht auf der Longlist für den diesjährigen Buchpreis und kann deshalb auch jetzt nicht auf der gestern bekannt gegebenen Shortlist stehen.
Welcher Roman auch immer den Buchpreis erhalten wird, er wird damit einen Makel haben - ein bisschen so wie im vergangenen Jahr, als sich Wolfgang Herrndorfs nicht berücksichtigter Roman "Tschick" zum Lieblingsbuch des Jahres entwickelte, während man inzwischen überlegen muss, wer eigentlich den Buchpreis bekam (es war Melinda Nadj Abonji für "Tauben fliegen auf"). Der Roman des 1983 geborenen Autors Leif Randt hat das Zeug zum Lieblingsbuch dieses Jahres, und er fehlt nun einfach wirklich auf dieser Shortlist.
Dafür stehen auf ihr jetzt zwei sehr unterschiedliche Favoriten und vier Außenseiterkandidaten. Die Favoriten sind: Sibylle Lewitscharoffs sprachlich hochgetunter und literaturartistisch versierter Roman "Blumenberg" und Eugen Ruges souverän und gelassen erzählte DDR-Familiengeschichte "In Zeiten des abnehmenden Lichts". Als Nächstes steht für die Jury eine Grundsatzentscheidung an. Bei beiden Romanen kann man sich vorstellen, dass ein Buchpreis mal wieder einen richtig hochkarätigen Bestseller produzieren könnte - aber doch bei jeweils sehr unterschiedlichen Zielgruppen. Bei Lewitscharoff freut sich der versierte Leser, zugleich hat der Roman auch so etwas leicht bildungsbeflissenes Coffee-Table-Mäßiges - das ja beim Verkauf kein Hindernis sein muss. Eugen Ruge dagegen ist eher etwas für Menschen, die über Geschichten an Lebensentwürfen und Lebenserfahrungen teilhaben wollen: kein Buch, mit dem man angeben mag, sondern eins, das man still für sich liest.
Die Außenseiter- und daher potenziellen Kompromisskandidaten sind: Jan Brandt mit "Gegen die Welt" (900 Seiten über die frühen Achtziger in Leer, Ostfriesland; wohl das schrägste Romanprojekt der Saison), Michael Buselmeier mit "Wunsiedel" (das einzige Buch aus dem Frühjahrsprogramm), Angelika Klüssendorf mit dem Buch "Das Mädchen" (zynisch gesagt, die ideale Kompromisskandidatin, da sprachlich hoch ambitioniert und voller DDR-Erfahrungen) sowie Marlene Streeruwitz mit der "Schmerzmacherin" (dem politischsten Roman auf der Liste).
Die Preisverleihung findet zum Beginn der Frankfurter Buchmesse am 10. Oktober statt. Dem Gewinner winken 25.000 Euro und eine Verzehnfachung der Auflage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin