Sheltersuits in Berlin: Ein Overall für Obdachlose
Die Caritas verteilt 80 spendenfinanzierte Schutzanzüge in Berlin. In ihnen können Menschen auf der Straße warm und trocken leben.
Erfunden hat den Sheltersuit der niederländische Designer Bas Timmer, dessen Erfindung in den Niederlanden schon 12.500 Mal verteilt wurde – sowie in Südafrika und im Geflüchtetencamp Moria.
In Berlin werden sie mit dem Caritas-Arztmobil verteilt, das Obdachlosen mit einer medizinischen Grundversorgung beisteht. „Die Menschen dort sind Vollprofis, die aus der Wohnungslosenhilfe kommen. Sie helfen seit über 25 Jahren und wissen, wer in einer schwierigen Lage ist“, sagt Caritas-Sprecher Thomas Gleißner der taz.
Vorerst werden 80 Sheltersuits verteilt. Einer kostet 300 Euro. Mit Material, Herstellung und Lohnentschädigung belaufen sich die Kosten auf 24.000 Euro, die Caritas sucht noch nach Spender:innen. „Unser erstes Ziel ist immer, die Leute in Wohnungen zu bringen. Wir gehen mit dieser Aktion auf die Situation ein, dass manche im Moment nicht in Notunterkünfte wollen und lieber auf der Straße schlafen“, sagt der Caritas-Sprecher der taz.
Obdachlose zunehmend zwangsgeräumt
Bahar Sanli vom Aktionsbündnis Solidarisches Kreuzberg zu Obdachlosigkeit, findet, dass „es eine konkrete, nützliche Form der Unterstützung“ sei. Die aber nichts daran ändere, dass die Menschen weiterhin auf der Straße leben müssten.
Dazu müsse man bedenken, dass obdachlose Menschen zunehmend zwangsgeräumt werden. Dabei könne es passieren, dass die Polizei die Schlafsäcke – oder Sheltersuits – wegnimmt. „Jeder Bezirk behandelt das unterschiedlich.“ Während Neukölln und Charlottenburg Obdachlose nicht räumen, die in der Öffentlichkeit schlafen, sehe das in Mitte anders aus.
„Wenn die Sheltersuits verteilt werden, muss deshalb gewährleistet werden, dass die Leute die behalten können und nicht geräumt werden. Und sie brauchen sichere Plätze, wo sie sich aufhalten können“, sagt Sanli. Im zweiten Schritt läge es an der Senatsverwaltung, die Polizei und die Bezirke dazu anzuweisen, keine Zwangsräumungen durchzuführen.
Sanli gibt zu bedenken, dass viele Obdachlose in Notunterkünften nicht schlafen wollen wegen der Ansteckungsgefahr mit Corona. Es gebe aber Alternativen: „Die Frage ist doch: Warum müssen die Leute überhaupt draußen übernachten? Hotels stehen leer, Ferienunterkünfte, Businessapartments stehen leer, alles steht leer. Und wir verteilen Sheltersuits und Schlafsäcke.“
Im Januar 2020 wurden 2.000 Obdachlose gezählt. Nach Schätzungen von Sozialverbänden ist die Zahl höher. Derzeit stehen 1.092 Notübernachtungsplätze zur Verfügung, der Evangelische Pressedienst meldete am Montag, 100 weitere seien geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative