Sexuelle Gewalt: Längere Verjährungsfristen
Betroffene sexuellen Missbrauchs können länger als bisher auf Entschädigung hoffen. Der Bundesrat bestätigte am Freitag das Opfergesetz.
BERLIN taz | Opfer sexuellen Missbrauchs können jetzt länger als bisher Schadenersatz für die Leiden einklagen. Diese Frist setzte der Bundesrat am Freitag von bislang drei Jahren auf dreißig Jahre hoch. Die Änderung ist ein Bestandteil des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG), das der Bundestag im März mit den Stimmen der Koalition verabschiedet hatte.
Jetzt können Betroffene dreißig Jahre lang zivilrechtliche Ansprüche auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld geltend machen, wenn ihr Körper, ihre Gesundheit und ihre sexuelle Selbstbestimmung verletzt worden waren. Darüber hinaus wurde der Beginn der Verjährungsfrist bis auf das 21. Lebensjahr der Opfer verschoben. Vorher war es die Volljährigkeit. Grund: Den Opfern soll mehr Zeit eingeräumt werden, sich über den Missbrauch klar zu werden und Anzeige zu erstatten. Viele Opfer sexueller Gewalt bringen erst im Alter von Mitte 40 die Kraft auf, über das erlittene Leid zu sprechen. Auf eine Entschädigung konnten sie bisher kaum hoffen.
Die strafrechtliche Verjährungsfrist beträgt bis zu zwanzig Jahre. Das heißt, dass schwere Sexualdelikte frühestens verjähren, wenn das Opfer 41 Jahre alt ist. Bei besonders schweren Fällen kann diese Frist noch weiter verlängert werden, längstens um zwanzig Jahre.
Künftig sollen die Opfer auch besser in Gerichtsverfahren gestärkt werden. So sollen sie nicht mehr mehrfach vernommen, sondern das Gericht soll sich verstärkt auf Videoaufzeichnungen mit Opfergesprächen berufen können. Auch sollen die Verhandlungen vielfach unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden – vor allem dann, wenn sensible Fragen angesprochen werden.
Opferverbände: Procedere dauert zu lange
Vor drei Jahren wurde bekannt, dass es in den vergangenen Jahrzehnten massenhafte sexuelle Übergriffe an Kindern in katholischen Einrichtungen gegeben hat. Opfer in den Einrichtungen sind vor allem Jungen. Mädchen werden häufig in der Familie Opfer sexueller Gewalt. Jetzt werden jedes Jahr 12.000 bis 16.000 Fälle angezeigt.
Nach Bekanntwerden des Ausmaßes der Missbrauchsfälle richtete die Bundesregierung die Stelle des Unabhängigen Beauftragten Sexueller Missbrauch sowie einen Runden Tisch ein. Am Runden Tisch saßen drei Ministerinnen: Familienministerin Kristina Schröder, Ex-Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Die Beschlüsse des Bundestages und Bundesrates gehen auf Empfehlungen des Rundes Tisches zurück.
Opposition und Opferverbände sind mit dem Procedere nicht glücklich. So kritisieren die Opferverbände, dass es zu lange gedauert habe, bis das Gesetz verabschiedet wurde.
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