Sexualaufklärung für Fürstin Gloria: "Kondome gegen Aids helfen nicht"
Gloria von Thurn & Taxis wird zur Fortbildung gebeten - beim Europäischen Aidskongress 2009 in Köln.
Das darf man Fürsorge nennen: Jürgen Rockstroh, Präsident der Deutschen Aids-Gesellschaft (DAIG), hat neulich wohl mit einer Mischung aus Neugier und Entsetzen den ARD-Dienstagstalk "Menschen bei Maischberger" angeschaut. Am 9. September saß da ein offenkundig indisponierter katholischer Bischof zu Gast, aber auch die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Und da sagte sie, dass Enthaltsamkeit und sexuelle Abstinenz der beste Schutz gegen die Immunschwächekrankheit sei, denn "Kondome gegen Aids helfen nicht". Schließlich sei es doch so: "Aids ist eine Krankheit, die man kriegt, wenn Blut und Körperflüssigkeit zusammenkommt, so, und dann nützt Ihnen ein Kondom herzlich wenig."
Hätte ein Prominenter aus Afrika das Gleiche wie Gloria gesagt, man hätte ihn der vorsätzlichen Verdummung geheißen. Denn, so wissen es natürlich auch katholisch geprägte Mitarbeiter von Aidsberatungsstellen: Abstinenz ist unrealistisch, weil Sexuelles nun einmal so begehrlich ist wie Essen und Trinken. Und wenn das schon so ist, dann ist eben ein hauchdünnes Präservativ das beste Sexwerkzeug, um jenseits von treuherzigen Partnerschaften und Ehen der Lust nicht entsagen zu müssen. Wer das Kondom für nutzlos erklärt, macht sich, moraltheologisch gesprochen, im Grunde weiterer Neuinfektionen mitschuldig.
Aber Rockstroh, ein umsichtiger, ruhiger und Menschen zugewandter Mediziner, glaubt an das Wissen und dass Dummheit heilbar ist. Nun hat er die Fürstin zum nächsten Europäischen Aidskongress 2009 in Köln eingeladen. Aus Regensburg gab es noch keine Antwort, dem Vernehmen nach soll es auch keine geben. Also alles Geschwätz? Wahrscheinlich. Aber weshalb wird eine Frau, die nichts ist als eine Bürgerin unter vielen mit allerdings bewegter Partygeschichte, in Talkshows eingeladen? "Maischberger" - ein Forum, in dem jede und jeder auch gesundheitsgefährliche Dinge vor sich hin delirieren kann?
Und wenn schon: Warum fragt dann diese Dame niemand, ob sie unter ihren homosexuellen Freunden weiter gelitten ist, wenn sie Kondome für nichtig hält? Das wäre doch mal interessant gewesen: wie eine Fürstin, die gern mal einen auf frech und punkig tat, plötzlich zur lebensirren Fundamentalistin wurde - und darob vergisst, wer sie einst feierte: schwule Männer, die vor allem.
Wahr ist: Ohne eine Präventionsstrategie, die seit 1983 in puncto Schnackseln auf das Kondom setzt, hätte sich in Europa tatsächlich eine Aidsepidemie durchgesetzt. Aber woher soll die Fürstin das wissen? Nachhilfe ist ehrenwert, bei einer HIV-Tagung besonders eindringlich zu haben, Durchlaucht, auch wenn der Eindruck haften bleibt: Hopfen und Malz verloren, Verschraubteste! JAF
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Nichtwähler*innen
Ohne Stimme