Sexismus im American Football: Fremdbestimmte Intimfrisur
NFL-Klubs erlegen Cheerleaderinnen diskriminierende Regularien auf. Eine Ehemalige reicht nach ihrer Entlassung jetzt Beschwerde ein.
Die Zeiten haben sich seitdem geändert. Seit der #MeToo-Debatte hat die Öffentlichkeit eine gewisse Aufmerksamkeitsspanne für die Situation von Frauen in der Arbeitswelt entwickelt. Nicht einmal der Sport ist mehr immun dagegen, sich Fragen zu Diskriminierung und Gleichberechtigung anhören zu müssen.
So dominierte in dieser Woche des im Schnee ausgerutschten Baseball-Saisonstarts ein kurioser Fall aus dem American Football die Sportschlagzeilen. Nach ihrer Entlassung von den New Orleans Saints reichte die Cheerleaderin Bailey Davis bei der Bundesbehörde für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz eine Beschwerde gegen den Football-Klub ein.
Davis bestreitet nicht, dass sie gegen Klub-interne Regeln verstoßen hat. Doch das enge Regelkorsett, das die Cheerleader verpasst bekommen, so argumentiert die Tänzerin, stelle nichts anderes dar, als die Festschreibung einer schweren Ungleichbehandlung von Frauen.
Überregulierung von Frauenkörpern
Davis hatte auf ihrem Instagram-Account ein Foto von sich in Unterwäsche gepostet. Laut der Saints-Organisation war dies ein zweiter Verstoß gegen die Hausordnung gewesen, nachdem Davis Gerüchten zufolge gemeinsam mit Spielern eine Party besucht habe.
Cheerleader haben bei den New Orleans Saints wie bei vielen anderen Klubs strenge Distanz zu den Spielern zu halten. Wenn ein Spieler in der gleichen Bar auftaucht, in der sich eine Cheerleaderin aufhält, muss die Cheerleaderin nach Hause gehen. Wenn der Spieler zuerst da ist, hat die Cheerleaderin ebenfalls zu gehen. Ähnliche Regeln gelten für soziale Medien – die Last der Kontaktvermeidung liegt alleine bei den Frauen.
An diesem Ungleichgewicht stört sich Davis gewaltig. „Das antiquierte Klischee, dass die Frauen sich zu ihrem eigenen Schutz zu verstecken haben, hat in der Arbeitswelt Amerikas nichts zu suchen“, sagt denn auch Sara Blackwell, die Anwältin von Bailey Davis. Die Überregulierung von Frauenkörpern in den Football-Klubs macht jedoch nicht bei den Dating-Vorschriften halt. Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, sind die Cheerleader einer Litanei an Vorschriften ausgesetzt, die man nicht anders als übergriffig bezeichnen kann.
Zu den Anweisungen gehören Restriktionen beim Tragen von Schmuck, Regularien für die Intimrasur sowie für das Tragen von Tampons. Cheerleader werden angehalten, ein bestimmtes Gewicht einzuhalten, Überschreitung der individuellen Grenze kann zur Kündigung führen.
Herabwürdigende Behandlung für 5 Dollar die Stunde
Das alles passt ins Bild einer rundum herabwürdigenden Behandlung der Tänzerinnen, deren akrobatische Auftritte bei den Spielen zu den Hauptattraktionen im Show-Programm gehören. So klagten Cheerleader der Buffalo Bills, dass sie vorm Spiel persönlich Kalender mit ihren Abbildern an die Fans verkaufen mussten und sich dabei von den oft angetrunkenen Anhängern begrapschen und belästigen lassen mussten.
Für all das und für das harte Training, dem sich die Cheerleader für die Darbietungen unterziehen müssen, verdienen sie oft weniger, als wenn sie bei McDonalds servieren würden. Im Durchschnitt bekommen die Cheerleader zwischen 75 und 150 Dollar pro Spiel, Training, Anreise und Vorbereitung werden nicht angerechnet. Der reale Lohn liegt demgemäß oft bei vier bis fünf Dollar pro Stunde.
Dabei ist es ihnen nicht einmal erlaubt, ihre Erfahrung als NFL-Cheerleader, die immerhin in der Branche eine Elite darstellen, weiter zu vermarkten. Das Benutzen des Teamnamens außerhalb des Stadions ist ihnen strikt untersagt.
Immerhin haben sich Teams wie die Oakland Raiders und die Tampa Bay Bucaneers unter Androhung von Zivilklagen wegen Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns jüngst zu Nachzahlungen bewegen lassen. Das Problem der Ausbeutung bei gleichzeitiger Herabwürdigung der Cheerleader ist damit jedoch noch lange nicht gelöst.
Deshalb freuen sich viele, dass Bailey Davis nun das Thema auf die nationale Agenda gesetzt hat. „Sie tut das Richtige“, sagte Ryan Stephan, der Anwalt, der die Cheerleaderin Lauren Herington in ihrer Klage um fairen Lohn vertreten hatte. „Das ist ein riesiges Thema. Es wird dringend Zeit, dass da etwa geschieht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe