: Serienweise Schweine
■ Georg Baseltiz ist in der Kunsthalle: mit auf den Kopf gestellten Motiven voll Vögeln, Schweinen, Stühlen, Kannen
„Das Motiv“ ist das Motto, unter dem am Sonntag in der Kunsthalle eine Ausstellung mit Bildern und Zeichnungen von Georg Baselitz eröffnet wurde. Absichtlich doppeldeutig läßt der Begriff offen, ob er auf den Gegenstand der künstlerischen Darstellung oder des Künstlers Beweggrund abzielt. In jedem Fall aber ist damit ein Punkt getroffen, der bei Baselitz seit etwa 20 Jahren auf dem Kopf steht. Die Umkehrung des Motivs „gab mir Freiheit, mich mit malerischen Problemen auseinanderzusetzen“ - und wurde gleichzeitig sein Markenzeichen.
Insofern zeigt die Kunsthalle nichts Neues. Die Besonderheit dieser Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Förderkreis für Gegenwartskunst entstand, besteht darin, daß sie nicht (wie meist bei Museumspräsentationen der Fall) einen rückschauenden Überblick verschafft, sondern einen aktuellen Werkkomplex vorstellt. Alle ausgestellten Areiten entstanden in diesem oder im vorangegangenen Jahr, etliche erst, nachdem der Bremer Ausstellungstermin bereits vereinbart war. Ungewöhnlich auch die große Rolle der Zeichnungen, die auf Baselitz‘ Wunsch sämtlich einzeln und farbig im Katalog abgebildet sind. Vornehmlich in Mischtechnik, unter Verwendung von Bleistift, Kohle, Pastell und Ölkreide, offenbaren sie in verknappter Form künstlerische Problemstellungen und Herangehensweisen, wie sie auch für Ölbilder kennzeichnend sind.
„Malerei hat für Baselitz nichts mit dem Effekt des Wiedererkennens zu tun“, schreibt Anette Meyer zu Eissen im Katalogvorwort, doch selbst auf den Kopf gestellt stolpert das Augenmerk des Betrachters wiedererkennend über die Motive, bleibt ein Schwein als Schwein zu erken
nen. Dafür trägt der Maler durch präzise, wenn auch vereinfachte Darstellung Sorge. Gewiß ist ihm nicht an thematischen Inhalten gelegen, doch sind die gegenständlichen Motive, die er als Ausgangs-und Anhaltspunkt seiner Malerei nutzt, nicht frei von Bedeutung. Sie lösen Assoziationen aus, und mitunter bestätigt der Bildtitel, daß der dargestellte Gegenstand durchaus als Verweis (z.B. auf ein anderes Kunstwerk) gemeint ist.
Baselitz erprobt in seinen Arbeiten die verschiedensten Möglichkeiten der Bildorganisation. Er geht von einem Motiv aus, das durch seine Plazierung im Bild, Größe oder Farbigkeit bzw. eine Kombination dieser Gestaltungsmittel als Blickfang fungiert. Die Motivwahl ist beschränkt: Gleich serienweise treten Vögel, Schweine, Stühle, Kannen (mit und ohne Blumen) und menschliche Figuren in dieser Ausstellung auf. Die Bildgründe erscheinen oft in sich gemustert, bunt kariert oder wie Mauerwerk in Felder unterteilt und dürfen sich auch mal über das Motiv schieben und in den Vordergrund drängeln. Diese Überlagerungen und Durchdringungen, das Fehlen perspektivischer Ordnung und die flächige Auffassung der Motive verleihen vielen Bildern den Charakter von Mustern. Fast überraschend die Frische Baselitzscher Bildfindungen, die in dieser Fülle nur auftreten kann, wenn sie nicht spontane Zufallstreffer, sondern gelungene Mischung aus Erfahrung einfließen und Erfahrung weglassen ist. Das bezeugen gerade die Areiten, denen diese Frische abgeht, die zu sehr von Bemühung und Kalkulation sprechen, für deren Anwesenheit man aber gerade darum dankbar sein müßte.
S.H.
Kunsthalle, bis 30.10
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