Serienstart „Masters of Sex“: Aufklärung: Bitte kommen!
„Masters of Sex“ erzählt humorvoll und tabulos von der Arbeit und dem Leben der beiden Sexualforscher Masters und Johnson.
Der Mann im Schrank kämpft mit den Widrigkeiten der Umstände: In seinen Händen jongliert er ungeschickt eine Stoppuhr, ein Clipboard für Notizen und eine Taschenlampe, während er ein Paar beim mechanischen Geschlechtsakt in Hündchenstellung beobachtet. Im schummrig beleuchteten Zimmer beginnt die Frau ihren Partner emotionslos anzuspornen: „Oh mein Gott. Ja. So gut. Du fickst wie ein Tier.“
Der Mann im Schrank hat die Stoppuhr im Blick; die Erregung des rammelnden Mannes wird größer, sein Stöhnen lauter. Auch sie stöhnt weiter, bis er endlich kommt und sich erschöpft auf ihren Rücken sinken lässt. Der Mann im Schrank drückt „Stopp“.
Dr. William Masters (Michael Sheen) ist sein Name: „Ein Visionär“, wie ihn Hochschulleiter der Universität von Washington (Beau Bridges) bei einem Bankett feierlich ankündigt. „Ein Mann der Wissenschaft“, wie er sich selbst nennt, bevor er an seinen Arbeitsplatz, den Schrank des Bordells, verschwindet.
Dort führt der Wissenschaftler im Jahr 1956 Studien zur Untersuchung des menschlichen Sexualverhaltens durch – natürlich geheim, denn in der Öffentlichkeit hat man für dieses vermeintlich anstößige Forschungsfeld des angesehenen Reproduktionsbiologen keinerlei Verständnis, um es vorsichtig zu formulieren.
„Masters of Sex“: läuft ab Dienstag, dem 5. August, wöchentlich um 22:45 Uhr auf ZDFneo.
Doch auch Masters stößt an seine Wissensgrenzen, als ihm die – übrigens homosexuelle – Prostituierte bei der Nachbesprechung offenbart, sie habe ihren Orgasmus lediglich vorgetäuscht. „Warum sollte eine Frau so etwas tun?“, fragt der Professor verständnislos. Die Frau kann ihm daraufhin nur einen Rat geben: „Wenn Sie wirklich etwas über Sex lernen wollen, brauchen Sie einen weiblichen Partner.“
Weibliche Verstärkung
So kommt die ehemalige Nachtclubsängerin und alleinerziehende Mutter Virginia Johnson (Lizzy Caplan) ins Team, die am Institut gerade als Sekretärin angestellt wurde – eine, nicht nur in sexueller Hinsicht, moderne und selbstbestimmte Frau. Mit ihrer bodenständigen Art wird sie zur wichtigen und schließlich ebenbürtigen Ergänzung für den verstockten und häufig unzugänglichen Masters.
Die Grundlage der Serie liefert die Wirklichkeit: In den Fünfzigern und Sechzigern leisteten Masters und Johnson Pionierarbeit in der Sexualforschung. Die Serie basiert auf der Biografie des Forscherpaars von Thomas Maiers. „In den Sechzigern wusste die Öffentlichkeit mehr darüber, wie man einen Mann zum Mond und zurückbringen kann, als darüber, was in der Vagina einer sexuell stimulierten Frau passiert“, kommentiert der Sexualforscher Howard J. Ruppel die Ergebnisse, die Masters und Johnson 1966, also zehn Jahre nach Aufnahme ihrer Studien, in ihrem Werk „Die sexuelle Reaktion“ veröffentlichen.
Hier wurden erstmals verifizierte Labordaten über das menschliche Sexualverhalten durch Untersuchungen am Objekt ermittelt. Damit konnten die Forscher lange geglaubte Mythen, wie die seit Sigmund Freud vorherrschende Lehrmeinung zum qualitativen Unterschied eines klitoralen und vaginalen Orgasmus, widerlegen.
Sexuelle Freizügigkeit gehört zum Standard der modernen US-amerikanischen Pay-TV-Serien. Doch das für Showtime produzierte „Masters of Sex“ von der Autorin Michelle Ashford liefert nun endlich einmal die Motivationen dafür: Aufklärung.
Dabei emanzipiert sich das überwiegend weiblich besetzte Autorenteam von der Erzählweise des historisch in der Nachbarschaft angesiedelten „Mad Men“, das aus der männlichen Sicht des Protagonisten zum ultimativen Zeit- und Gesellschaftspanorama wurde. „Masters of Sex“ findet einen leichteren und humorvolleren Zugang zum Thema und den Akteuren, ohne den Blick auf das große Ganze zu verlieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind