Arabella WintermeyerDie Couchreporter
: Unterhaltung statt
politischer Sprengkraft

Foto: Abb.: Stephanie F. Scholz

Zunächst wirkt es wie ein böser Traum. Die 26-jährige Dana (Mallori Johnson) reist nachts immer wieder an denselben Ort in der Vergangenheit: Eine Plantage in Maryland, auf der im Jahr 1815 Sklaven gehalten werden. Dort rettet sie einem Sohn von Sklavenhändlern mehrmals das Leben. Für eine Schwarze Frau wie Dana sind die Südstaaten während des Antebellum eine Löwengrube. Weshalb sie sich gerade dorthin versetzt sieht, ist Teil des großen Mysteriums im Zentrum von „Kindred: Verbunden“, der achtteiligen Serie von Branden Jacobs-Jenkins.

Dass Dana auch physisch in die Zeit vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg katapultiert wird, kann ihr Kevin (Micah Stock) versichern. Der Mann, mit dem sie auf einer Dating-App „matchte“, wird Zeuge davon, wie sich Dana in Luft auflöst, wenn sie in die Vergangenheit reist. Schon beim nächsten Mal begleitet er sie unfreiwillig. Doch was ist der Auslöser für die Zeitreisen?

Die erste populäre Schwarze Science-Fiction-Autorin Octavia E. Butler breitet das Szenario in ihrem gleichnamigen, 1979 erschienenen Roman aus. Am wichtigsten am Buch ist die Perspektive einer Schwarzen Frau der Gegenwart, die mit dem Amerika vor dem Sezessionskrieg konfrontiert wird. Ausgerechnet die politische Stoßkraft ist in der Serienadaption von „Kindred: Verbunden“ deutlich schwächer zu spüren. Zwar versucht Branden Jacob-Jenkins die Brisanz des Originals aufrecht­zuerhalten, indem er den in der Jetztzeit angesiedelten Strang nicht mehr in den 1970ern, sondern im Jahr 2016 verortet. Allerdings beschränkt er sich dabei auf klischeebeladene Vorstellungen. Wo Butler in der Vorlage mit Dana und Kevin ein langjähriges Paar unterschiedlicher Ethnie in den Fokus rückte, deren Ehe erst zehn Jahren vor dem Zeitpunkt der Handlung in den USA vollständig legalisiert wurde, ruht sich Branden Jacob-Jenkins auf Gemeinplätzen über das junge urbane Milieu aus. Etwa wenn er mit Dana und Kevin das Stereotyp planloser Millennials und die Beliebigkeit des Onlinedatings behandelt und dem Ge­schehen so einen fragwürdigen „Rom-Com“-Beiklang verleiht.

Relevantere Themen, wie Diskriminierung durch die Polizei, sind nur über einen Fingerzeig eingebunden. Der Rassismus der weißen Mittelschicht wiederum wird ungalant über eine neugierige Nachbarin (Brooke Bloom), ein fleischgewordenes „Karen“-Meme“, abgefertigt. Anders ausgedrückt: Wo das Buch noch Wagnis war, ist die Serie bloße Unterhaltung.

Auch wenn sich „Kindred: Verbunden“ der Darstellung der Vergangenheit widmet, sind es vor allem erwartbare Situationen, um die die Handlung kreist. Als weißer Mann wird Kevin im Haushalt von den Plantagenbesitzern, Thomas (Ryan Kwanten) und Margaret Weylin (Gayle Rankin), Unterschlupf gewährt, während Dana als seine vermeintliche Leibeigene ins Kochhaus verbannt wird. Durch ihre Augen taucht das Geschehen in den entbehrungsreichen Alltag der Sklaven ein, allerdings verharrt die mitunter ins Soap-artige abgleitende Erzählung zu sehr an der Oberfläche, um ihre Lebensumstände nachempfindbar zu machen. Octavia E. Butler hätte eine wirkmächtigere Umsetzung ihres Romans verdient.

„Kindred: Verbunden“, 8 Folgen bei Disney+