Serien-Darsteller Simon Licht über Dünkel: „Das ist für mich Schauspielerei 2012“
Darsteller können sich keine Allüren mehr leisten, sagt Simon Licht. Der Schauspieler aus „Baader Meinhof Komplex“ ist jetzt in der neuen Telenovela „Wege zum Glück“ zu sehen.
taz: Herr Licht, am 11. April waren Sie in dem ARD-Mittwochsfilm „Lösegeld“ zu sehen, am Montag startet die ZDF-Telenovela „Wege zum Glück – Spuren im Sand“. Welche der Rollen ist Ihnen lieber?
Simon Licht: Beide. Das eine ist für sein Format genauso gut gemacht wie das andere. So stolz ich auf die Zusammenarbeit mit dem „Lösegeld“-Regisseur Stephan Wagner und meinem Partner Misel Maticevic bin – das ist obere Liga. So wichtig ist es mir auch, keine Berührungsängste zu haben. Nachdem ich den Horst Mahler im „Baader Meinhof Komplex“ gespielt habe, war ich 35 Folgen lang in der ARD-Telenovela „Rote Rosen“ dabei. Ich bin Schauspieler und habe mir ein möglichst breites Portfolio erarbeitet. Diversität macht schließlich meinen Beruf aus. So halte ich es auch in der Pressearbeit: Vor einer Woche etwa habe ich dem Goldenen Blatt ein Interview gegeben und saß mit der Kollegin genauso gern, ausgiebig und professionell zusammen wie jetzt mit Ihnen.
Keine Angst vor dem, was das Goldene Blatt sich daraus zurechtdichtet?
Nein. Ich weiß ja auch nicht, was Sie daraus machen. Die Wahrheit über mich wird man auch in diesem Interview nicht finden. Über meine vermeintlichen Fetische etwa werde ich auch mit Ihnen nicht sprechen – nicht aus bösem Willen, sondern aus Selbstschutz. Ich bin ja kein Vollpfosten, weiß, was ich sage und was ich besser für mich behalten sollte. Den Rest kann ich sowieso nicht beeinflussen – da kommt die Gelassenheit mit dem Älterwerden. Ich habe schon zu viel Zeit darauf verschwendet, mich über Journalisten aufzuregen. Natürlich wünsche ich mir, dass in diesem Interview ein ganz tolles Bild von Simon Licht entsteht, aber wenn nicht, kann ich das auch nicht ändern. So ähnlich wie bei den Rollen: Ich wollte immer Schwiegermutters Liebling sein, habe aber auch wegen meines äußeren Erscheinungsbildes schon früh ältere, eher fiese Männer gespielt. Von zwei Brüdern war ich immer der mit den Leichen im Keller. Wie charmant und witzig ich sein kann, konnte ich erst durch „Stromberg“ zeigen. Erzwingen lässt sich das aber nicht: Ich bin überzeugt davon, dass Rollen dich finden und nicht du sie – selbst wenn du dich totsuchst.
Gab es einen Schlüsselmoment, der Sie animiert hat, die ganze Bandbreite zwischen Telenovela und Kinofilm zu bedienen?
Ja, das war schon „Rote Rosen“. Vorher hatte ich „Polizeiruf 110“ gemacht, wo es aber durch den Tod meines Partners Jörg Huber nicht weiterging. Dann kam das Angebot für „Rote Rosen“, und ich dachte mir, ach, was soll’s, für 35 Folgen kannst du das doch mal ausprobieren. Da kam mir mein Pragmatismus zugute. Ich war nie der Künstlertyp mit dem Antrieb, das System zu verändern. Ich war in der Schulzeit Leistungssportler, Mitglied der Fechtnationalmannschaft und bin Schauspieler geworden, weil mein Deutschlehrer Herr Grüne mich in die Theater-AG eingeladen hat und es mir nach dem Abi der reizvollste Job zu sein schien. Also habe ich, als ich einen Kumpel in Wien besucht habe, spontan an der Schauspielschule vorgesprochen und bin tatsächlich gleich genommen worden. Eigentlich wollte ich aber immer Arzt werden.
Hatten Sie nie Bedenken, durch Ihre Telenovela-Engagements als Schauspieler nicht mehr ernst genommen zu werden?
Doch, hatte ich, zumindest bei „Rote Rosen“. Das gebe ich ganz offen zu. Aber bei „Wege zum Glück“ jetzt war die Resonanz durchweg positiv. Nicht ein einziger Kollege hat gesagt: Bist du behämmert? Das Business hat sich sehr verändert in den letzten 20 Jahren, es wird viel weniger produziert als zu meinen Anfängen. Damals, und ich kann wirklich schon von damals sprechen, war die Auswahl größer, aber auch die Beliebigkeit. Die Zeiten, in denen man sich als Schauspieler diesen Dünkel leisten konnte, sind heute definitiv vorbei, es sei denn natürlich, es reicht dir, alle drei Jahre mal einen Film zu drehen. Das ist hochrespektabel, kommt aber für mich nicht in Frage. Auch ich habe einen Mietherren, muss Geld verdienen, aber vor allem will ich meinen Beruf ausüben. Und Dominik Graf ruft bestimmt nicht an, weil er gehört hat, dass ich gerade eine Telenovela abgesagt habe. „Wege zum Glück“ ist für mich Schauspielerei 2012. Und ich stehe dazu.
Der Mann: 45, geboren in Hückeswagen (NRW), aufgewachsen in Hannover, ledig, lebt in Berlin-Mitte, war als Schüler Mitglied der Fechtnationalmannschaft und segelte später im Platoon-Team des mehrfachen Olympiasiegers Jochen Schünemann.
Der Weg: Schauspielausbildung am Wiener Konservatorium, dort auch erste Engagements am Theater in der Josefstadt. Seit Anfang der 90er war Licht in knapp hundert Kino- und Fernsehproduktionen mit einem ungewöhnlich breiten Spektrum zu sehen, unter anderem nämlich in "Stromberg", "Elementarteilchen", dem "Baader Meinhof Komplex", verschiedenen "SOKO"-Krimis und der Telenovela "Rote Rosen".
Die Serie: Ab Montag läuft im ZDF die neue Telenovela "Wege zum Glück - Spuren im Sand" (16.15 Uhr), produziert von der Grundy UFA und Stargate Studios Germany. Darin gibt Licht ausnahmsweise mal den Sympathieträger: Arthur, den älteren Lebensgefährten von Maja (Andrea Cleven), mit der er in die Stadt ihrer Kindheit zurückkehrt, wo ihre Beziehung durch die Anwesenheit von Majas Jugendliebe Robert (Florian Thunemann) auf eine harte Probe gestellt wird. Doch auch Robert ist mittlerweile verlobt - der Kampf Vernunft gegen Gefühle beginnt.
Haben Sie je bereut, das Berufsziel Arzt aufgegeben zu haben?
Klar, in Saure-Gurken-Zeiten habe ich mich verflucht, nicht Chirurg oder Orthopäde geworden zu sein, keine finanzielle Sicherheit zu haben, was auch einer der Gründe ist, warum ich bis heute keine Familie gegründet habe. Durststrecken gehören zu unserem Beruf. Ich habe zum Beispiel vorm „Baader Meinhof Komplex“ etwa anderthalb Jahre keine Angebote bekommen. Nichts, gar nichts. Und dann kam plötzlich aus dem Nichts dieses Riesending auf mich zu. Und danach ist meine Karriere zwar nicht explodiert, ging aber seriös weiter. Auch wenn es finanziell manchmal eng war: Ich musste nie kellnern, war immer da. Und darauf bin ich stolz. Es gibt schließlich verdammt viele, die auf der Strecke geblieben sind, auch Kollegen, die in den 90ern Serienhauptrollen gespielt haben und die irgendwann das Gefühl hatten, mal was anderes machen zu müssen. Und dann: aus. Ende der Vorstellung.
Dieses Lamento hört man oft von Schauspielern: dass sie in Schubladen feststecken, die Verantwortlichen nicht den Mut haben, Sie mal anders zu besetzen.
Den Mut werden die Verantwortlichen vermutlich nie haben. Du musst dir also gut überlegen, ob du es dir leisten kannst, einen relativ sicheren, gut bezahlten Serienjob aufzugeben. Das Einzige, was du dann nämlich tun kannst, ist, dich zu entspannen, so gut es geht, und darauf zu warten, dass die Rollen auf dich zukommen. Wenn nichts passiert, musst du irgendwann eben anerkennen, dass du es vielleicht nicht bist. Mir hat es immer geholfen, dass ich nicht auf ein bestimmtes Rollenfach festzulegen bin, nie in nur eine Schublade gepasst habe. Und auch wenn mein Vertrag bei „Wege zum Glück“ im Februar 2013 ausläuft, werde ich nicht „der Soapstar Simon Licht“ sein.
„Wege zum Glück – Spuren im Sand“ ist der letzte Versuch des ZDF, eine Telenovela zu etablieren. Spüren Sie einen besonderen Erfolgsdruck?
Nicht vonseiten des Senders. Der ist hochzufrieden mit unserer Arbeit. Den Druck mache ich mir selber, weil ich es als Schauspieler und eifriger GEZ-Zahler wichtig finde, dass dieser Fiction-Sendeplatz bleibt. Das fiktionale Programm ist momentan eine aussterbende Spezies. Talentshows oder gecastete Dokusoaps sind billiger und schneller zu produzieren. Ohne Geschichten filmisch zu erzählen, entheben wir uns unserer eigener Lebensgrundlage. In dem Fall steht auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen für den Auftrag, diese Programmform zu erhalten.
Was ist die größte Umstellung bei der Arbeit an einer Telenovela?
Der Faktor Zeit. Bei „Wege zum Glück“ drehen wir 41 Sendeminuten an einem Drehtag. Das ist Schwerstarbeit, zehn, elf Stunden am Tag, unfassbare Textmengen und ein enormes Arbeitstempo. Dieses Marathon funktioniert nur, weil alle Beteiligten hochprofessionell bei der Sache sind. Das muss man anerkennen – auch wenn man selbst privat um 16.15 Uhr vielleicht nicht einschalten würde. Umso frappierender finde ich die Machart deutscher Vorabendkrimiserien, die immerhin sechs Tage Zeit für eine Folge haben. Gegenüber unserer Arbeit bei „Wege zum Glück“ ist da nicht ansatzweise der Qualitätssprung erkennbar, der angesichts von deren Zeit und Budget sichtbar sein müsste. Ich darf gar nicht drüber nachdenken, wie viele tolle Fernsehfilme man von dem Geld machen könnte! Manche Kollegen wissen wahrscheinlich überhaupt nicht, was für ein Luxus es ist, so zu arbeiten. Bei „Lösegeld“ hatte ich dieses Luxus, wir hatten eine Nacht lang Zeit, um einen Wald auszuleuchten. Bei einem so präzisen Regisseur wie Stephan Wagner ist es erst gut, wenn es gut ist. Bei „Wege zum Glück“ können wir uns nicht totfrickeln, wir müssen auch mit nicht hundertprozentig gelungen Szenen leben, weil wir keine Zeit haben, den Take zu wiederholen. Sich auch mit dem Vergurkten zufrieden zu geben, muss man bei dieser Arbeit lernen. Die Herausforderung ist es, das Optimum aus den Möglichkeiten herauszuholen.
Klingt freudlos. Gibt es denn auch einen Kick daran, in einer so kurzen Zeitspanne so viel zu drehen?
Harte Frage. Wenn ich jetzt Nein sage, klingt das zu negativ. Man lernt das kleine Glück zu schätzen. Ich freue mich maßlos drüber, wenn in der Kürze der Zeit Momente glücken. Das merkt nämlich auch der Zuschauer, da bin ich sicher.
Aber die Befriedigung ist bei Kino- und Fernsehfilmen größer?
Nee, darauf nageln Sie mich nicht fest. Das stimmt so auch nicht. Natürlich ist es toll, Filme zu drehen, Perfektion anzustreben. Aber es ist doch auch eine Befriedigung, sagen zu können: „We did it“. Wir haben das weggerockt und dabei eine ansprechende, auch mich selbst zufriedenstellende Leistung erbracht. Vor etwa vier Wochen hatten wir ein Teamscreening der ersten beiden Folgen mit Würstchen und Bier, vor dem ich mich eigentlich drücken wollte. Ich hatte Schiss, habe mich dann aber gefragt: Du feige Socke, wovor hast du Angst? Vor mir selber natürlich und davor, meinen Ansprüchen nicht gerecht geworden zu sein. Aber ich bin hingegangen und es wurde ein schöner Abend mit einem tollen Gemeinschaftsgefühl. Und was ich gesehen habe, war ansprechend, okay, just okay. Ich kann kaum beschreiben, wie erleichtert ich war.
„Wege zum Glück“: 16.15 Uhr, ZDF
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