Serie über Autorinnenschaft: Eine Frau, die 50 wird

In der israelischen Miniserie „Hamishim“ geht es um die Erlebnisse der alleinerziehenden Witwe Alona. Sie versucht, ein Drehbuch zu verkaufen.

Die Autorin Alona.

Alona hat hat handysüchtige Kinder und einen dementen Vater im Heim Foto: arte

Ob das denn wirklich passiert sei, dieses Malheur beim Tinderdate, fragen die kichernden TV-Produzentinnen. Nein, natürlich nicht, dass sie habe niesen müssen und sich dann eingepinkelt und die Sache natürlich abgebrochen habe, das wäre ja zu peinlich gewesen. Aber wunderbar ausgedacht sei das, großartig. Selbstverständlich aber ist es genau so passiert, ist es ihr passiert, der 49-jährigen Drehbuchautorin Alona, die ihre Serie über eine Frau, die 50 wird, an die Branche zu bringen versucht.

Wer sich bei der achtteiligen israelischen Minserie „Hamishim“ („Fünfzig“) auf die Arte-Ankündigung als „bittersüße Komödie“ verlässt, bekommt möglicherweise Probleme. Die gut 20-minütigen Folgen bieten nämlich kein Feuerwerk an Gags, wie die oben beschriebene Szene vielleicht vermuten ließe; im Gegenteil werden einzelne Folgen schon nach der jeweiligen Exposition recht zäh, ja quälend. Verglichen etwa mit der formal ähnlichen, hochkomischen Serie „Hashoter Hatov – Ein guter Polizist“ auf Netflix schneidet „Hamishim“ sogar richtig schlecht ab.

Näher lässt sich der Sache schon kommen mit der Arte-Charakterisierung als „bewegendes Frauenporträt“. Die Widerborstigkeit der von Ilanit Ben-Yaakov glaubwürdig verkörperten Alona – Ben-Yaakov ist 48 – ist sozusagen zum Prinzip geworden.

Es entsteht kein Flow in „Hamishim“, alles ist so realistisch-deprimierend, dass sich die Figuren nur mit Sarkasmus durch ihren Alltag retten. Und nun ist es aber so, dass Sarkasmus als individuelles Überlebensprinzip mindestens verständlich, die daraus sich ergebende Dramaturgie aber unbedingt ermüdend ist.

Aus finanziellen Gründen

Erwischt!, sagt einem „Hamishim“ da; denn es geht ja eben darum, dass Alona in der Serie ihre Serie, die ihr reales Erleben ist, verkaufen möchte und aus finanziellen Gründen auch muss, die aber eben niemand haben will. Als sie sich in der Eröffnungsszene auf den Rat des ersten, befreundeten Produzenten bei Tinder anmeldet und das Prinzip lernt, kommt dieser Dialog dabei heraus:

„Hamishim – Fünfzig“, acht Folgen, Arte-Mediathek

„Man wischt drüber?“

„Ja, wer dir gefällt nach rechts und nach links die …“

„Wie beim Holocaust?“

„Verrücktes Huhn.“

Am Ende des Verkaufsgesprächs steht ein apodiktisches: „Eine Serie über alternde Israelinnen interessiert niemand. So eine Serie wird es hier nie geben.“

Alona hat ihren Mann bei einem Verkehrsunfall verloren, sie hat drei bezaubernd-handysüchtige Kinder, einen bezaubernd-dementen Vater im Heim, einen üblen Steuerprüfer am Hals und seit Jahren keinen Sex; und sie findet, dass alle ein Recht auf Leben haben außer Hitler – was sie nicht daran hindert, die Nummer einer impertinenten Agenturmitarbeiterin zu blockieren, die ihr unbedingt eine Holocaustüberlebende als Leihoma vermitteln will.

Sushi für alle

Will Alona keinen Sex? „Doch schon“, sagt sie, „aber ich will nichts dafür tun.“

„Hamishim“ (Regie: Daphna Levin, Buch: Yael Hedaya) ist genauso: Es hat alles, was einen TV-Knaller ausmachen könnte, und dann tut es das einfach nicht. Insofern gehört die Serie zum Radikalsten, was man an Kunst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen derzeit sehen kann.

Was die Abbildung israelischer Realität angeht, steht sie meilenweit über der nicht zuletzt in linken Kreisen merkwürdige Begeisterungs­stürme weckenden Brutalo-Agentenserie „Fauda“ – und zwar nicht nur, was „Linke Milfs“ und deren Repräsentation angeht, so einer der hübschen Produzenten-Titelvorschläge für Alonas Serie.

Am Schluss wenigstens gibt es Sushi für alle – mehr lässt sich vom Leben als bald 50-jährige Drehbuchautorin eben einfach nicht erwarten, möglicherweise nicht nur in Israel.

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