Serie Hegemonialmacht USA (2): Reagan reitet für US–High–Tech
■ Handelskrieg USA - EG: Beide Seiten messen mit zweierlei Maß / USA schieben "Sicherheitsinteressen" vor
J.R. Ewing und sein texanischer Clan aus der TV–Serie „Dallas“ erklären US– amerikanischen Zeitgeist. Die Garage ihrer Southfolk–Ranch ist mit Edellimousinen aus deutschen Landen bestückt und nicht mit einheimischem „Schrott“ (wie der Bonner US–Botschafter Burt über die Fahrzeuge seiner Heimat spricht). Geht es aber Ewings Ölgeschäft ans Leder, wird Schwägerin Donna als Kartellsprecherin in Washington vorstellig, man möge umgehend die Öleinfuhr unterbinden, und J.R. läßt am saudischen Konkurrenz–Bohrgestänge vom Fachmann Bomben anbringen. Die Realität ist ähnlich gespalten. Reagan und seine Regierungsmannschaft ziehen gegen ganz bestimmte Handelsbeschränkungen zu Felde, andere treibt er voran und die oppositionellen Demokraten sind mit ihrem protektionistischen Kurs auf dem Vormarsch. Nicht die unspektakulärsten waren während der 80er Jahre die Handelsauseinandersetzungen der USA mit der EG, sie waren und sind Ausdruck schwindender Konkurrenzfähigkeit der US–Ökonomie auf dem heimischen wie auf dem Weltmarkt. Um 0,25 Prozent stieg die Produktivität zwischen New York und San Francisco 1986 gerade noch an, in Westeuropa erfreute man sich einer Rate von 1,75 Prozent. Ein Ergebnis davon: Miese im Außenhandel von insgesamt 170 Milliarden Dollar, davon allein im Verhältnis zur BRD 11 Milliarden. Ganze Industriezweige liegen am Boden und produzieren allenfalls noch Arbeitslose. Dabei hatte man sich einst alles so schön ausgedacht. Mithilfe des Marshallplanes wollten die USA nach dem Krieg in Europa die absolute Dollarknappheit abmildern. Das Geld sollte jenseits des Atlantik für Einkäufe in den USA sprudeln und so die Wirtschaft angekurbelt werden. Gekurbelt wurde, aber bereits damals gab die BRD lediglich zwei Prozent der Marshall–Mittel für Maschinenimporte aus. Auf der deutschen Einkaufsliste standen Lebensmittel und Rohstoffe, die Maschinen produzierte das Wirtschaftswunder selbst. Immerhin, die USA verdienten daran, daß die EG Agrarimporteur wurde, während man selbst bis in die 80er Jahre Nahrungs–Exporteur war. Und wenn man selbst insgesamt ein Handelsdefizit verzeichnete, was machte es schon? Man druckte und versorgte beim Weltmarkt–Einkauf das Ausland mit dem begehrten Weltgeld Dollar, die Nachfrage nach ihm blieb konstant wie sein festgesetzter Kurs. Über den Hähnchenkrieg - der Versuch der USA, EG–Geflügel–Einfuhren zu stoppen - lachte man in den 60er Jahren noch hüben wie drüben. Ernster wurde es schon, als Helmut Schmidt, Weltökonomie–Lehrmeister, Ende der 70er Jahre ein ums andere Mal mahnte, die USA sollten die Probleme Inflation und Produktivität in den Griff bekommen, ihre Waren seien ansonsten auf der Welt nicht mehr abzusetzen und auf den Kapitalmärkten würde nur noch Unruhe entstehen. Erstes Alarmzeichen: Der inzwischen freigegebene Dollarkurs stürzte am 3.1.1980 auf 1,71 DM. An der Inflation und dem Handelsbilanzminus änderte sich allerdings nichts, die Großmachtstellung war gefährdet, Lehrer Schmidt quengelte weiter. Was Wunder, daß Bonn Reagan und Zentralbankchef Volcker zunächst Anerkennung aussprach für deren Kampf gegen die Inflation seit 1981. Das drastisch angezogene Zinsniveau dämpfte jedoch nicht nur die Inflation, es zog Spekulationsgelder ins Land. Der Dollar, neuerlich zum Symbol der Stärke avanciert, schnellte auf die doppelte Kurshöhe zurück. Die Preiskalkulationen europäischer US–Lieferanten verbesserten sich noch mehr. Die bundesdeutsche Wirtschaft merkte indes recht schnell, daß die Strategen des starken Dollar diesen Nebeneffekt nicht einfach hinneh men wollten. Nach dem Motto: „Die ganze Welt ist unser Hinterhof!“ begann man, den ökonomischen Globus zu ordnen. Als erstes ging man gegen den drohenden Ausbau der europäischen Ost– West–Zusammenarbeit vor, der sich an den USA vorbei entwickelte. Das „Jahrhundert“–Erdgas– Röhrengeschäft versuchte Reagan persönlich durch erpresserische Boykottmaßnahmen zu torpedieren. Als Polen pleite war, dachte Washington laut darüber nach, den Geldhahn vollends zu schließen. Insbesondere der deutsch–polnische Handel wäre gekappt, die stark engagierten europäischen Banken in Schwierigkeiten - ein willkommener Nebeneffekt für die US–Banken, die ihre unangefochtene Welt– Spitzenstelleung in der Schuldenkrise und bei schwächerem Dollar verloren haben. Argumentiert wurde dabei selbstverständlich sicherheitspoli tisch, nicht etwa mit ökonomischen Hintergedanken. Wer will, kann den US–Coup gegen Libyen im Frühjahr 1986 ähnlich einordnen. Ein eventuell einkalkulierter folgender Schulterschluß der OPEC und eine Ölverknappung wäre ein Schlag gegen Europas Wirtschaft und eine Stütze für die aufgrund gesunkener Preise darniederliegende US–Ölbranche gewesen - samt den daranhängenden, ins Trudeln geratenen Banken. Bei all diesen Handelskriegs– Feldzügen hat die ansonsten so freihändlerische Reagan–Regierung keine Scheu, sich im eigenen Lande an vorderste Front zu stellen. Das Erdgas–Röhrengeschäft, die Ölexploration - all das sind schließlich Bereiche, bei denen es um modernste Technologien geht, bei denen die USA nach dem Willen ihres Film–Cowboy–Präsidenten aus dem Hollywood– und High–Tech– Land Californien künftig die Nase vorn haben sollen. Zur Verhinderung von Maßnahmen wider die EG z.B bei Stahlröhren oder bei Agrarexporten, traditionelle Branchen, deren sich die demokratische Opposition aufgrund daranhängender Arbeitsplätze annimmt, führt dagegen Reagan emotionale Öffentlichkeitskampagnen über die TV–Kanäle. Und weil diese Bereiche den europäischen Strategen ebenfalls am wenigsten am Herzen liegen, sind Streitigkeiten hier schnell geschlichtet. Der Zank um die iberischen Märkte nach deren EG–Beitritt ist beigelegt, mit dem Verzicht auf die geplante Fettsteuer gab Brüssel seine Autonomie bei der Agrar–Binnenpolitik preis. Beim Stahlexport in die USA erklärte man sich mit begrenzenden Quoten einverstanden. Schwieriger wird der Kampf um die neuen Technologien. Der in der Nachbarschaft von Silicon–Valley beheimatete Präsident mußte 1986 mitansehen, daß die Handelsbilanz in diesem Zukunftsbereich mit zwei Milliarden Dollar in die Miesen kam. Entsprechend harte Bandagen werden bei der Debatte um die europäischen Airbus–Lieferungen in alle Welt angelegt werden. Schlüsselbereiche der Wirtschaftsstrategen sind tangiert, wenn demnächst die direkten staatlichen Subventionen für den Airbus gegen die militärischen Entwicklungszuschüsse für Boeing und McDonnell–Douglas aufgerechnet werden. Eine fabelhafte Grundlage für gegenseitige Dumpingpreis– Vorwürfe, mit denen Importbeschränkungen legitimiert werden. Eine Einigung gab es bisher auch nicht im Bereich Werkzeugmaschinenexporte in die USA. Reagans Handelsbeauftragter Yeutter: Werkzeugmaschinenimporte unterminieren die Unabhängigkeit der USA in einem strategisch wichtigen Bereich. Genau diese Unabhängigkeit will Washington in einem anderen strategischen Bereich für die EG nicht anerkennen. Das Monopol der Bundespost bei der Telekommunikation und ihre Ausgrenzung von US–Produkten will Yeutter demnächst vor die Gatt–Welthandelskonferenz bringen. Mit Schrecken verfolgt die US–Lobby seit langem, wie der Münchner Siemens–Konzern ein Südostasiatisches Land nach dem anderen mit digitalen Kommunikationssystemen überzieht - aus dem von der CSU verwalteten Entwicklungshilfetopf finanziert und mithin wettbewerbsverfälscht. Mit diesem Argument läuft Washington auch gegen die BRD–Telefonexporte bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD Sturm. So wird demnächst das große Subventions– und Dumpingaufrechnen bei Airbus, Telekommunikation und Agrarwirtschaft beginnen. Ein ganz anderes Dumping will BRD–Handelskammerpräsident Otto Wolff demnächst zur Sprache bringen: das Währungsdumping. Seiner Ansicht nach wird der Dollar künstlich verbilligt, um US–Waren international im Preis zu drücken. So etwas läßt sich nur schwer überprüfen. Der niedrige Dollarkurs hat indes eine ganz andere Gefahr für die US–Patrioten aufkommen lassen: Den drohenden „Ausverkauf“ von US–Unternehmen durch ausländische Investoren zu Schleuderpreisen: Hoechst kaufte Celanese, Conti–Gummi kauft den fünftgrößten US–Reifenhersteller General Tire und die Briten kaufen die halbe USA. Aber auch dagegen haben die mit allen Wassern gewaschenen US– Handelspolitiker ein Mittelchen: Im Rahmen des Entwurfes für ein „Handelsgesetz“ liegt dem US– Parlament eine Klausel vor, mithilfe derer die ausländischen Direktinvestitionen im Land begrenzt werden sollen. Dies würde jedoch die derzeitige Gratwanderung der US–Ökonomie im Kern gefährden. Als zutiefst verschuldetes Land würde es den ausländischen Geldstrom für die Finanzierung seines Defizits selbst stoppen - ein erneutes Spiel mit dem Feuer durch die Regierung des Landes, in dem der Glaube an die unbegrenzten Möglichkeiten im (auch) ökonomischen Großmachtspiel ungebrochen scheint.
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