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Serbien und die EUBelgrad muss nachsitzen

Eine Entscheidung über die Verleihung des Kandidatenstatus fällt nicht vor Februar 2012. Auch Montenegro muss noch auf den Beginn der Beitrittsverhandlungen warten.

Auf die Annäherung an Europa müssen die Serben nun doch noch etwas länger warten. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Freud und Leid können so nah beieinander liegen. Die kroatische Premierministerin Jadranka Kosor hörte gar nicht mehr auf zu lächeln bei der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags seines Landes zur Europäischen Union gestern in Brüssel.

Gleichzeitig dürfte seinem serbischen Kollegen, dem Präsidenten Boris Tadic das Lachen vergangen sein. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben ihm Nachsitzen verordnet.

Sie gaben seinem Land, nicht wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, den lang erhofften Kandidatenstatus. Bis mindestens Februar 2012 soll Serbien noch warten und bis dahin vor allem an der Deeskalation des Kosovo-Konflikts arbeiten. So steht es in den Schlussfolgerungen des EU-Gipfeltreffens.

"Serbien hat zwar entscheidende Fortschritte gemacht. Aber wir ermutigen das Land, die Annäherung an den Kosovo für mehr Stabilität in der Region zu vertiefen", sagte der EU-Ratsvorsitzende Herman van Rompuy. Die EU könne es sich nicht leisten noch einmal ein Land mit einem offenen Grenzkonflikt aufzunehmen.

Die Balkanexpertin in der grünen EU-Fraktion Franziska Brantner kann diese Entscheidung verstehen. "Es kann nicht sein, dass an der Grenze zum Kosovo von Serben auf EU-Soldaten geschossen und dem Land gleichzeitig der Kandidatenstatus verliehen wird."

Parallelstrukturen im Norden

In den vergangenen Monaten waren bei Zusammenstößen 25 KFOR-Soldaten verletzt worden. Die Situation eskalierte am Grenzübergang Brnjak, wo Angehörige der serbischen Minderheit im Nordkosovo immer wieder illegale Straßenblockaden errichten und damit gegen die Anerkennung des Kosovo demonstrieren wollen.

Während es im übrigen Kosovo kaum noch Probleme gibt, leben die Serben im Norden in Parallelstrukturen: Sie zahlen mit serbischem Geld, unterrichten in Schulen nach serbischen Lehrplänen und erkennen auch die EU-Rechtsmission Eulex nicht an, die dem Land beim Aufbau von Polizei, Justiz und Verwaltung helfen soll.

Vor allem Österreich und Deutschland hatten deshalb darauf gedrängt, die Serben noch einmal zu vertrösten. Das Land soll, so steht es in dem Brüsseler Papier, in den kommenden Monaten das Zollabkommen zwischen Kosovo und Serbien umsetzten, der EU und der Nato "erlauben", ihr Mandat im Nordkosovo auszuführen und sich um regionale Kooperation bemühen. Erst dann wollen die Regierungen den Weg für Serbien in die EU frei machen.

Schlechte Nachrichten gab es auch für Montenegro. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, mit diesem Land, das seit einem Jahr Kandidatenstatus hat, die Beitrittsverhandlungen zu beginnen. Auch das lehnten die Staats- und Regierungschefs ab.

Die Grüne Franziska Brantner hat dafür kein Verständnis: "Montenegro hat alle Kriterien erfüllt. Ich glaube, es ging eher darum, das Land nicht im Vergleich zu Serbien zu bevorzugen." Die Verhandlungen sollen im Juni 2012 beginnen. Die Kommission will aber, so ihr Präsident José Manuel Barroso, mit den Vorbereitungen beginnen.

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3 Kommentare

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  • VF
    @von FloKrass:

    Human Rights Watch hat 2001 einen 600 seitigen Bericht über Verbrechen im Kosovo vorgelegt. Da steht unter anderem drinnen."Die UCK habe bereits 1998 Serben und mutmaßliche Kollaborateure unter den Albanern ermordet. Nach dem Ende des Kosovo-Kriegs am 12. Juni 1999 hätten Kosovo-Albaner systematisch die Serben aus der Provinz vertrieben." Weiter steht"[...]über 210.000 Serben und 80.0000 Roma und Ashkali sind aus dem Kosovo vertrieben worden." Auch an der an der Nato wurde kritisiert, das könnte auch ein Grund gewesen sein, warum dieser Bericht hier zu Lande wenig Beachtung fand. Die noch geblieben Serben im Süden des Kosovos leben in Ghetto-ähnlichen Enklaven, abgeschottet durch die UMNIK zum Schutz vor Übergriffen. Edgar Schütz von der Wiener Zeitung berichtete erst am 07.12 über die Situation der Serben und Roma im Kosovo.

    Zum Autonomieentzug: Was Sie allerdings vergessen zu erwähnen ist, dass albanische „Intellektuelle“ 1996, 1998, 2004 usw. in Kooperation zwischen Prishtina und Tirana ein ethnisch reines Groß-Albanien forderten. Es ist mittlerweile vergessen, dass Restriktionen im Kosovo in den 1980-er Jahren von der jugoslawischen Führung verhängt wurden, und dass Serbien vollste jugoslawische Unterstützung hatte, als es am 28. März 1989 dem Kosovo die politische Autonomie wegnahm. Dieser Akt hatte ein Fünkchen von Legitimität, da Belgrad kosovarische Schulbücher geprüft und diese als Pamphlete voller Slavenfeindschaft und Serbenhass entdeckt hatte.

    Die nachfolgenden Reaktionen waren beiderseits ein Austausch von Überreaktionen, gipfelnd in dem von Rugova verkündeten Totalboykott aller „serbischen“ Institutionen – Schulen, Universität, Krankenhäuser etc. und die Einrichtung von „Parallelstrukturen“ im Untergrund. In jugoslawischen Zeiten gab es im Kosovo 400.000 Schüler und mit 197 Studenten pro 10.000 Einwohner die höchste Rate Jugoslawiens. Von Rugovas „Parallelstrukturen“ wurden bestenfalls 100.000 Kinder und Jugendliche erfasst, was internationale Mutmaßungen zu einem exorbitant hohen Analphabetismus im gegenwärtigen Kosovo erklären könnte. Ihr Vergleich mit Apartheit ist also einfach pietätlos!

    Serbiens Grundfehler war, dass es mit den Kosovo-Albanern entweder zu milde oder zu hart umging, aber keine rationale Linie besaß und reale Gefahren nicht sehen wollte. Das große Problem in der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart ist und das musste auch Rugova feststellen ist, dass das Kosovo unter die Fuchtel der UÇK geraten ist, einer von der internationalen albanischen Drogenmafia finanzierten Truppe, und in dieser Lage befindet es sich noch. Mit diesen Verbrechern an der Spitze ist keinem im Kosovo geholfen weder den Albanern und schon gar nicht anderen Minderheiten.

  • F
    FloKrass

    @Erich

     

    An erster Stelle möchte ich sie auffordern mit der Propaganda aufzuhören. Denn im Kosovo wurden keine Serben vertrieben, vielmehr sind jene, die im Kosovo gemordet und sich den Paramilitärs angeschlossen haben, freiwillg gegangen. Und jene die nicht gemordet haben, leben friedlich in ihren Komunen, die sie selbst verwalten und regieren, bspw Gracanica, Caglavica, Raniljug, Steprce,. Probleme hat nämlich auch die albanische Bevölkerung genauso wie die Serbische im übrigen Kosovo, die sind aber wirtschaftlicher Natur und nicht ethnischer oder kultureller. Ausser der Norden ist nich friedlich, der von kriminelle Banden regiert wird und sogar davor nicht zurück schrecken NATO-Soldaten zu verletzten und ihren Tod billigend in Kauf nehmen, um ihre kriminelle Machenschaften zu schützen. Zudem ist ein Vergleich der Situation der Albaner während der 90er Jahre und der serbischen Bevölkerung nach der Unabhängigkeit des Kosovo völlig fehl am Platz. Während die Albaner aus sämtlichen Institutionen verbant wurden, keinerlei und als Menschen zweiten Ranges betrachtet wurden, haben Serben im Kosovo nach der Unabhängigkeit des Kosovo das Recht sich selbst zu verwalten, eigene Komunen zu gründen, ihnen stehen zehn Mandate im Parlament, ohne dass sie Wählen müssen, Serbisch ist zweite Amtssprache, bei einem Anteil der serbischen Bevölkerung von nur 5% und viele andere Rechte, sind in den Institutionen des Kosovo mit stellvertretendem Minister und anderen Ministern vertreten, uva Rechte. Rechte die die Albaner während der 90er Jahre vom Apartheidregime Serbiens abgepsrochen bekommen hatte. Also wo bitte sehr kann da ein Vergleich gezogen werden. Ich bedauere nur, dass sie blind sind und die wahre Situation nicht erkennen oder sie sind ein serbischer Nationalist und ein Serbo-Phile mit nationalistischem Gedankengut, anders kann ich mir ihre Einstellung nicht erklären.

     

    MfG

  • E
    Erich

    "Während es im übrigen Kosovo kaum noch Probleme gibt, leben die Serben im Norden in Parallelstrukturen: " Dieser Satz ist lustig und zu gleich traurig.

     

    Im übrigen Kosovo gibt es sehr wohl Probleme. Nur keine Demonstrationen, da alle Serben mittlerweile vertrieben wurden.

     

    "...serbischen Minderheit im Nordkosovo immer wieder illegale Straßenblockaden errichten und damit gegen die Anerkennung des Kosovo demonstrieren wollen." Wie sollen Sie sonst gegen die illegale Unabhängigkeit demonstrieren? mit einem Leserbrief?

    Ihnen wird das verwehrt, was den albanern zugestanden wurde und zwar Selbstbestimmung.

    Werden solche Art von Demonstrationen nicht immer von den Machthabern als illegal angesehen. Als die Ägypter oder Iraner in ihren Ländern auf die Straßen gegenagen sind, um gegen unrecht zu demonstrieren wurden diese Demonstrationen ebenfalls von den Führern als illegal gebrandmarkt. Zu den Eskalationen kommt es doch auch immer wieder, durch Veruche der KFOR mit Gewalt gegen die Demonstrationen vorzugehen.

     

    Ich bin mir sicher, wäre die Situation andersherum würden einige Ihrer Kollegen wie z.B. Hr. E. Rathfelder sowas schreiben wie... -Freiheitsliebende Albanische Minderheit demonstrierte gegen serbische Unterdrückung im Kosovo-