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■ Nach den Demonstrationen in Belgrad wird morgen gewähltSerbien – wer ist die Opposition?

Einmal abgesehen von den Schlagstöcken, die weltweit in die Schlagzeilen geraten sind, was ist in Belgrad geschehen? Im Stadtparlament ist die Koalition zwischen den Demokraten von Zoran Djindjić (DS) und der Erneuerungsbewegung von Vuk Drašković (SPO) geplatzt. Mit Unterstützung der Sozialisten und Radikalen hat die Erneuerungsbewegung Djindjić als Bürgermeister gestürzt.

Das war nur dann sinnvoll, wenn nächste Woche eine ähnliche neue Koalition zwischen Sozialisten, SPO und Radikalen in Serbien eine Regierung bildet, die Hauptstadt also nur ein Vorspiel für das Land ist. Am Sonntag finden Stichwahlen für das Amt des serbischen Präsidenten statt. Erscheinen weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten, erfolgt in zwei Monaten ein neuer Wahlgang. Inzwischen übt der neue Parlamentspräsident auch das Amt des Präsidenten Serbiens aus. Und der muß in einem Parlament gewählt werden, in dem von 250 Sitzen die Sozialisten 110, die Radikalen 82 und die SPO 45 besetzen.

Theoretisch ist alles möglich: eine sogenannte Konzentrationsregierung „zur Rettung Serbiens“ dieser drei Parteien oder daß je zwei von ihnen die Regierung bilden und die dritte in der Opposition bleibt. Für Serbien, das nach dem Ende der aufgeklärten Tito-Diktatur sieben Jahre lang unter der Herrschaft der Milošević-Sozialisten stand, eine völlig neue Situation.

Nun scheint auch die Frage beantwortet, warum die Polizei mit so unerwarteter Brutalität die Proteste gegen die Abwahl Djindjićs und die Gleichschaltung des bisher unabhängigen Fernsehsenders StudioB niedergeschlagen hat. Man wollte nicht nur die Demonstrationen im Keim ersticken, sondern gleich auch dem bisherigen Oberdemonstranten Drašković schaden. Und die Massen sind tatsächlich mehr auf Drašković erbost, der jetzt „auf der anderen Seite“ steht, als auf das bisherige Regime, von dem man sowieso nur das Schlimmste gewöhnt ist.

Wer bleibt dann als Opposition übrig? Im Parlament einige Abgeordnete von Splitterparteien und auf den Straßen der Städte die frustrierten Bürger, denen sich Zoran Djindjić und Vesna Pešić als Führungsfiguren anbieten. Als wie groß wird sich deren Energie erweisen? Können sie relativ bald vorgezogene Neuwahlen erwirken? Djindjić hat die letzten Wahlen boykottiert, weil er glaubt, jung und geduldig genug zu sein, um das abzuwarten. Ivan Ivanji

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