Separatisten im Jemen: Muskelspiel für die Unabhängigkeit
Mit ihrer überraschenden Aden-Offensive haben Jemens Separatisten einen ersten Teilerfolg erzielt: Die Regierung lässt sich auf Verhandlungen ein.
Mit einem militärischen Paukenschlag hatten sich die Separatisten im August zurückgemeldet. Nun fordern sie offensiv ihre Rolle als zentraler Akteur im Jemenkonflikt ein, in dem bislang andere die Hauptrollen besetzen: die weitgehend machtlose, aber von einer saudisch geführten Militärkoalition unterstützte Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi sowie die schiitischen, vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen.
In wenigen Tagen hatte der militärische Arm des STC die wichtige Hafenstadt Aden eingenommen. Seine von den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgebildeten und finanzierten Milizionäre besetzten den Präsidentenpalast und Militärstellungen der Regierungstruppen.
Kaum war die Stadt unter Kontrolle der Separatisten, strömten Tausende Unabhängigkeitsbefürworter nach Aden und bekundeten in einer Massenkundgebung ihre Solidarität mit dem STC. In Sprechchören feierten sie die „Revolution des Südens“ und zogen mit Fahnen der früheren, bis 1990 unabhängigen südjemenitischen Republik durch die Straßen.
„Wir fordern, dass die Regierung aufhört uns zu marginalisieren“, sagt Ahmed Omar bin Fareed, EU-Vertreter des STC, gegenüber der taz, „und dass sie uns im Friedensprozess akzeptieren.“ In den offiziellen UN-Friedensverhandlungen nämlich haben die Separatisten bislang nichts zu melden. Die nun von Saudi-Arabien parallel initiierten Gespräche zwischen Regierung und STC sind für die Separatisten ein erster Schritt hin zur Anerkennung, auch wenn die Regierung am Mittwoch klarstellte, dass die beiden Parteien nicht direkt miteinander verhandelten.
Dabei erkennt der STC die Hadi-Regierung offiziell als legitime Führung des Landes an – trotz der jüngsten Kämpfe mit den Regierungstruppen. Doch macht Bin Fareed keinen Hehl daraus, dass es sich dabei um ein reines Zweckbündnis handelt. In ihrem gemeinsamen Kampf gegen die Huthi-Rebellen ist der STC mit der Hadi-Regierung vereint. Gleichzeitig weiten die Separatisten ihre Macht im Süden des Landes aus und arbeiten auf eine Abspaltung des ehemals eigenständigen Gebiets hin.
STC-Politiker Ahmed Omar Bin Fareed
„Wenn es Wahlen oder ein Referendum gäbe, würden wir sehen, dass die Mehrheit im Süden für die Unabhängigkeit ist“, ist Bin Fareed überzeugt. „Mindestens neunzig Prozent“ Unabhängigkeitsbefürworter will er unter den SüdjemenitInnen wissen. Das mag übertrieben sein, doch zweifellos ist die Unabhängigkeitsbewegung tief verwurzelt in der Bevölkerung der ehemaligen sozialistischen Republik, die mit dem Ende ihres sowjetischen Schutzpatrons 1990 im vereinten Jemen aufging.
Auf die aus Sicht der Separatisten überhastete Vereinigung folgte im Sommer 1994 ein Abspaltungsversuch, der in einen kurzen Bürgerkrieg zwischen den bis dahin noch getrennten Armee-Einheiten mündete und mit der Niederlage der Separatisten endete. „Danach erwarteten die Leute im Süden, dass die Regierung sie als gleichberechtigt behandelt“, sagt Bin Fareed, „aber nichts davon passierte, sie benahm sich wie eine Besatzungsmacht.“ BefürworterInnen der Unabhängigkeit beklagen Zwangsentlassungen von Staatsangestellten und Armeeangehörigen. Fabriken seien geschlossen, Ländereien vereinnahmt und hohe Stellen im Staatsapparat von SüdjemenitInnen gesäubert worden.
Die revolutionären Umwälzungen in der Region 2011 und der 2014 ausgebrochene Bürgerkrieg im Jemen bestärkten die Separatisten in ihrem Streben nach einem eigenen Staat. Als Präsident Hadi im Frühjahr 2017 schließlich mehrere Politiker aus den Reihen der Unabhängigkeitsbewegung ihrer Ämter enthob und die Menschen aus Protest in Massen auf die Straßen strömten, nutzte der heutige STC-Chef Aydarus al-Zubaydi die Gelegenheit: Mit dem STC schuf er eine politische Vertretung der Unabhängigkeitsbewegung und eine Art Gegenregierung, die mit den emiratisch unterstützten südjemenitischen Milizen über erhebliche Schlagkraft verfügt.
Die Gespräche in Jidda zwischen Regierung und STC sollen zunächst eine Eskalation in Aden und den ebenfalls umkämpften Provinzen Schabwa und Abyan verhindern. „Wir werden sie nicht bitten, uns Unabhängigkeit zu geben“, sagt Bin Fareed. Dem STC geht es zunächst in erster Linie um die Einbindung in den Friedensprozess unter UN-Ägide. Möglich ist auch, dass sich die Parteien auf eine Umbildung des Kabinetts einigen, in dem Politiker der Unabhängigkeitsbewegung stärkeres Gewicht haben.
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