: Sensible Mißachtung
■ Streit um Akten zwischen Kommission der Bürgerschaft und dem Bürgermeister
Harsche Töne schlug gestern die Enquete-Kommission Jugendkriminalität gegenüber Hamburgs Erstem Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) an. Dessen Weigerung, dem Gremium bestimmte Akten vorzulegen, sei „eine Mißachtung und Brüskierung der Bürgerschaft“. Noch drastischer formulierte es naturgemäß der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Hesse, Obmann seiner Fraktion in der Kommission: „Hier werden die Rechte des Parlaments mit Füßen getreten.“
Die von der Bürgerschaft eingesetzte Kommission aus neun unabhängigen Fachleuten und acht Parlamentariern soll Empfehlungen für den Umgang mit jugendlichen Straftätern erarbeiten. Anfang Februar „ersuchte“ sie den Senat, Einsicht in Akten über jugendliche Mehrfachstraftäter aus den Jahren 1993 - 1995 nehmen zu dürfen. Das Gremium erhofft sich daraus Aufschlüsse über eventuelle Verfahrensmängel.
Runde teilte nun der Kommission in einem Brief mit, er könne dem Ersuchen „leider nicht entsprechen“. Es gebe keine rechtliche Verpflichtung der Behörden, Akteneinsicht zu gewähren. Eine formalrechtliche Position, die von der Bürgerschaftskanzlei bestätigt wird: „Enquete-Kommissionen haben anders als bürgerschaftliche Ausschüsse kein Recht auf Aktenvorlage“, so Pressereferent Frank Fechner. Aus der Senatskanzlei verlautet ergänzend lediglich, man wolle „keine Präjudizien“ schaffen, und zudem müsse „die sensible Frage“ des Datenschutzes beachtet werden. Die Akten enthielten ja persönliche Daten von Straffälligen.
Die Kommission hingegen pocht nachdrücklich auf Vorlage, da eine „erfolgreiche Weiterarbeit“ sonst nicht möglich wäre. Sie beauftragte einstimmig – also auch mit den Stimmen der vier SPD-Mitglieder und der einzigen GALierin im Gremium – ihren Vorsitzenden, Professor Peter Kastner von der Uni Hamburg, dem Bürgermeister eine geharnischte Protestnote zu schreiben. Denn: „Sowas macht man einfach nicht“, meint ein Kommissionsmitglied, das nicht namentlich genannt werden möchte. Runde wäre „gut beraten, seine Position zu überdenken“.
Der Adressat wollte gestern dazu keine Stellung nehmen, da er einen solchen Brief noch nicht erhalten habe. Sven-Michael Veit
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