piwik no script img

Seniorenwohnhaus der Deutsche WohnenOffene Tür bei Deutsche Wohnen

Ein Seniorenwohnhaus der Deutsche Wohnen wehrt sich gegen Verwahrlosungstendenzen. Mie­te­r*in­nen haben Angst und fordern einen Pförtner.

Mie­te­r*in­nen des Seniorenwohnhauses Köpenickerstraße Foto: André Wunstorf

Berlin taz | In unmittelbarer Nähe zum Schlesischen Tor ragt ein Neubau aus dem Boden. Wenn man vor dem Seniorenwohnhaus in der Köpenicker Straße steht, fällt zunächst die offene Tür auf. Dann erst nimmt man die große Glasfassade wahr und kann erahnen, dass dieses Haus etwas Besonderes hat.

Das Seniorenwohnhaus ist von dem Architekten Otto Streidle entworfen worden und gewann 1982 einen Wettbewerb wegen seiner städtebaulichen Besonderheiten. Der Architekt schuf gleitende Übergänge zwischen Altsubstanz, Baulücken aus Kriegszeiten und Neubau. Er plante einen Lichthof und barrierearmes Wohnen. „Ich bin damals extra wegen dieser besonderen Architektur hergezogen“, sagt Evelyn Grau, Mieterin und selbst Architektin.

Insbesondere das begrünte Atrium mit Wasserläufen und Teich war eine kleine Oase für die Bewohner*innen. Die Betonung liegt auf dem Wort: war.

Seit einem Jahr ist der Ausnahmezustand die Normalität in dem Objekt. Die Begrünung wurde laut Mie­te­r*in­nen teilweise zerstört, die Hausreinigung findet unregelmäßig statt. Die Haustür lasse sich wiederholt nicht schließen und auch die Automatik funktioniere fast nie. Das habe bereits zur Folge gehabt, dass einige Menschen das Haus nicht verlassen konnten, weil sie im Rollstuhl sitzen. Die offene Tür ist also nicht Ausdruck besonderer Gastfreundschaft, sondern für manche Be­woh­ne­r*in­nen die einzige Möglichkeit, sich frei zu bewegen.

Missstände seit einem Jahr

Einige rüstige Rent­ne­r*in­nen des Hauses taten sich wegen dieser Missstände vor einem knappen Jahr zusammen und vertreten nun die Interessen der 52 Mietparteien. Sie waren und sind entschlossen, diese Zustände nicht hinzunehmen und für ihr Recht auf ein sicheres und ruhiges Wohnen zu kämpfen. Sie nahmen Kontakt zur Landesbeauftragten für Behinderte, zum Mieterverein, zur Wohnungsaufsicht auf und auch immer wieder zur Deutsche Wohnen, der Vermieterin des Objekts. Bis lang ohne nachhaltigen Erfolg.

Stattdessen, so die Schilderung der Hausbewohner*in­nen, gingen Fremde in dem Gebäude ein und aus. Sie konsumierten Drogen im Treppenhaus, hinterließen dort ihren Müll und seien gewaltbereit. Etliche der Pflanzen, mit denen das Haus berankt ist, seien heruntergerissen worden und vertrocknet. Der Autor hat sich von dem trostlosen Anblick ein Bild gemacht.

Die meist älteren Menschen leben seither in Angst. Evelyn Grau beschreibt, dass sie sich kaum noch traut in den Keller zu gehen, weil dort jemand sitzen könnte. Zudem sei es ihr peinlich, Besuch zu empfangen, weil es im Haus aussehe „wie auf Alcatraz“ – gemeint ist die frühere Gefängnisinsel in der Bucht von San Francisco. Die Stahlgerüste ohne Begrünung und der Turnschuh, der im trüben Teichwasser schwimmt, geben ihr Recht.

Die defekte Automatik der Haustür Foto: André Wunstorf

Der Mieter Günther Elbel erzählt, dass er von den Eindringlingen sogar schon bedroht worden sei. Man wisse nie, wer im Gebäude hinter der nächsten Ecke steht, sagt er. „Ich habe Angst, angegriffen zu werden.“ Trotz mehrfacher Aufforderung bei der Kundenbetreuerin der Deutsche Wohnen sei keine nachhaltige Beseitigung des Problems erfolgt, oft habe man nicht einmal eine Antwort bekommen. Auch ein offener Brief von Teilen der Mieterschaft, in dem dezidiert auf die Mängel aufmerksam gemacht wurde, habe keine Besserung bewirkt.

Das börsennotierte Wohnungsunternehmen, das der Vonovia gehört, bestätigt die Probleme auf Anfrage der taz. Es gebe Beschwerden über die Schließbarkeit der Haustür, wodurch sich Personen unberechtigt im Haus aufhielten. Schon mehrfach habe die Polizei fremde Menschen des Hauses verweisen müssen.

Sicherheitsdienst eingesetzt

Allerdings sieht sich die Deutsche Wohnen weitgehend handlungsunfähig: „Instandsetzungsarbeiten werden regelmäßig beauftragt und durchgeführt“, so die Unternehmenskommunikation in einer E-Mail auf taz-Anfrage. Jedoch handelt es sich um wiederkehrende Vandalismusschäden. Aufgrund der Lage des Wohnhauses „ist leider auch weiterhin mit regelmäßigen Beschädigungen zu rechnen“. Zur Verbesserung der Situation sei ein Sicherheitsdienst eingesetzt worden, der das Objekt „regelmäßig bestreift“.

Dieser Sicherheitsdienst, das bestätigen die Mie­te­r*in­nen, ist täglich um 18 Uhr sowie um 2 Uhr im Objekt und auch für die Mie­te­r*in­nen telefonisch erreichbar. Im Ergebnis habe sich an der Situation jedoch nichts geändert, sagte Sylvia Beaury, Sprecherin der Mie­te­r*in­nen, am Montag zur taz.

Auch zwei Einbrüche in dem Haus im Laufe der Zeit wurden bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Auch sie werden von Mie­te­r*in­nen auf die offen stehende Tür zurückgeführt. Daniel Bothe von der bezirklichen Wohnungsaufsicht sagt, es sei eine „Anordnung“ in Arbeit, die den Vermieter zur Sicherung der Haustür verpflichten soll. Grundsätzlich sieht aber auch er das Problem eher im Vandalismus. Es brächte nichts, die Tür zu reparieren, weil sie ohnehin zwei Tage später wieder aufgebrochen würde.

Bothes Vorschlag ist daher, einen Pförtner einzusetzen, der regelmäßig vor Ort ist. Mittlerweile habe es etwa zehn Versuche gegeben, die Tür zu reparieren – mit kurzfristigem Erfolg.

Diesen Vorschlag lehnt die Deutsche Wohnen allerdings aus Kostengründen ab. Die Tür mit einem Pförtner zu besetzen sei „wirtschaftlich nicht vertretbar“ und „daher keine Option,“ schrieb die Unternehmenskommunikation der taz Anfang Juli.

Mie­te­r*in­nen- Sprecherin Beaury hingegen kann sich vorstellen, dass fast alle im Haus bereit sind, höhere Nebenkosten zu zahlen, wenn dadurch endlich Ruhe ins Haus käme. Denn: Seit einem Jahr ist aus einem Erholungsgebiet ein kahler Wohnort mit Verwahrlosungstendenzen und Gestank geworden. Die Deutsche Wohnen bereite den Mie­te­r*in­nen zusätzliche Schwierigkeiten, indem sie schlecht erreichbar sei und die Probleme „nicht ernst“ nehme.

Wiebke Werner vom Berliner Mieterverein verweist auf die Mangelbeseitigungspflicht seitens der Vermieterin. Die Deutsche Wohnen könne nicht behaupten, dass die Mangelbeseitigung nicht zu gewährleisten sei. „Die Anspruchsgrundlage ist der Mietvertrag, und somit müsste von jedem einzelnen Mietverhältnis die Instandsetzungspflicht eingeklagt werden“, erklärt Wiebke Werner. „Wenn der Aufforderung nicht nachgekommen wird, kann zunächst die Miete unter Vorbehalt gemindert werden, und als letzter Schritt kann eine Klage durch die Mie­te­r*in­nen erfolgen“.

Kurz nachdem die taz um Stellungnahme bei dem Wohnungsunternehmen gebeten hatte, fand laut Mie­te­r*in­nen erstmals eine Hausbegehung durch Tech­ni­ke­r*In­nen und die Kundenbetreuerin der Deutsche Wohnen statt. Das war am 29. Juni 2022. Es werde geprüft und mit „den Gewerken gesprochen“, wie man das Objekt nachhaltig sichern und besser pflegen könne, so die Deutsche Wohnen.

Mie­te­r*in­nen- Sprecherin Beaury am 1. August zur taz: Haustür offen, Automatik defekt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare