piwik no script img

Senatswahlen in TschechienHerbe Schlappe für Regierungspartei

Tschechische Bürgerpartei ODS bricht bei Senatswahlen total ein. Staatspräsident Klaus fordert indirekt Rücktritt von Regierungschef Topolanek.

Mirek Topolanek mußte herbe Verluste bei den Senatswahlen hinnehmen Bild: dpa

PRAG taz Tschechiens regierende Bürgerpartei (ODS) hat bei den Senatswahlen am vergangenen Wochenende erneut eine Wahlschlappe hinnehmen müssen. Nach dem Debakel bei den Regionalwahlen, bei denen die ODS eine Woche zuvor ihre Mehrheit in allen 13 Regionen an die sozialdemokratische Opposition verloren hatte, verlor sie nun ihre absolute Mehrheit im Oberhaus. Nur 3 von 27 Senatssitzen konnte die ODS gewinnen, 23 Sitze gingen an die sozialdemokratische Opposition (CSSD) und ein Sitz an die Kommunisten. Selbst der persönliche Einsatz von Staatspräsident Václav Klaus, Gründer und Ehrenvorsitzender der ODS, nützte nichts. Der Präsident hatte vor den Wahlen ganz offen für die ODS-Kandidaten geworben und damit seine Glaubwürdigkeit als überparteiliches Staatsoberhaupt aufs Spiel gesetzt.

Auf dem Spiel steht auch die Stationierung des US-Radars in Tschechien. Denn die muss erst noch vom Parlament abgesegnet werden. Mit einer erstarkten Opposition, die gegen das Radar ist, ist die Abstimmung jedoch noch nicht entschieden.

Noch schlimmer als ein mögliches Nein zum Radar ist aber die Tatsache, dass die Niederlage der ODS die schwerste ist, die eine politische Partei in Tschechien je hinnehmen musste. Sie hat einen Namen: Mirek Topolanek. Der Regierungschef und Vorsitzende der ODS sei allein für das Debakel verantwortlich, meinte Klaus. "Diese Wahlen waren ein Referendum über Topolanek", sagte der Präsident und forderte indirekt den Rücktritt des Ministerpräsidenten.

Vor allem seine Arroganz und sein vulgäres Auftreten scheinen Topolanek das Genick gebrochen zu haben. Die Liste seiner Peinlichkeiten ist lang: Im Parlament zeigt er mal die Zunge, mal den Stinkefinger, ein anderes Mal tut er seine politischen Opponenten als "Lügner und Verbrecher" ab. Journalisten kommt er gerne mal mit einem "Leck mich am Arsch" oder gar mit der Faust.

Das musste am Samstag der Fotograf einer tschechischen Tageszeitung erfahren, der die Faust des Regierungschefs zu spüren bekam, weil er den 1-jährigen Sohn Topolaneks knipste, den dieser mit ins ODS-Wahlkampfbüro mitgenommen hatte. Dieser Mann soll am 1. Januar 2009 die EU-Ratspräsidentschaft von Nicholas Sarkozy übernehmen.

Ob er dann noch Parteichef der ODS sein wird, ist fraglich. Denn je rüpelhafter Topolanek, desto smarter sein größter Widersacher Pavel Bem. Dem aalglatten Prager Oberbürgermeister werden beste Chancen eingeräumt, beim Parteitag der ODS am 6. Dezember zum Vorsitzenden gewählt zu werden. Ohne den Rückhalt seiner Partei würde Topolanek, der ein Misstrauensvotum im Parlament vergangene Woche nur denkbar knapp überlebte, das Regieren noch schwerer fallen. Viele in der ODS glauben allerdings, dass - EU-Ratspräsidentschaft hin oder her - der Ära Topolanek ein Ende gemacht werden muss, um das politische Überleben der Partei zu sichern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • FS
    Frank Schmidt-Hullmann

    Wie die Regierung Topolanek tickt, konnte ich am 9. Oktober live auf einer Kommissionsveranstaltung in Brüssel miterleben. Dort sprach sich der tschechische Arbeitsminister dafür aus, künftig in der EU nur noch die Wettbewerbsfähigkeit als Ziel zu verfolgen. Der soziale Fortschritt ergäbe sich dann von selbst. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, müsse die grenzüberschreitende Arbeitskräfteentsendung verstärkt als Werkzeug genutzt werden. Necat begrüßte auch als einziger der anwesenden sechs Arbeitsminister aus EU-Staaten ausdrücklich die umstrittenen neuen EuGH-Urteile, die die Gewerkschaftsrechte gegenüber den oft Lohndumping betreibenden Entsendeunternehmen und Tarifflüchtern drastisch beschränken.

    Marktradikalismus pur. Hoffen wir, dass die tschechischen WählerInnen die ODS bald in die Vergessenheit schicken!