: Senators besonnene Staatsgewalt
Anwalt erstattet Anzeige für zwei Frauen, die im Schanzenviertel am 1. Mai von Polizei-Knüppeln schwer verletzt wurden ■ Von Elke Spanner
Mit ihrem „besonnenen Einsatz“ am 1. Mai, wie Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) seinerzeit lobte, hat sich die Hamburger Polizei nun zwei Strafanzeigen eingehandelt. Nachdem er ein halbes Jahr lang AugenzeugInnen gesucht und Beweisfotos gesammelt hat, reichte Rechtsanwalt Andreas Beuth nun die Anzeigen für zwei Frauen ein, die damals im Schanzenviertel durch Polizeiknüppel schwer verletzt worden waren. Einer Frau wurden vier Finger gebrochen (taz berichtete), eine zweite erlitt eine Schädelfraktur und einen Jochbeinbruch. Beide lagen mehrere Tage im Krankenhaus.
Es ist die Nacht auf den 1. Mai. In der „Roten Flora“ am Schulterblatt bereitet eine baskische Band ihr Konzert vor, draußen halten sich noch Leute auf, die am Nachmittag in einer Demo durch das Schanzenviertel gezogen waren. Am späteren Abend brennen auf dem Schulterblatt Barrikaden, die Polizei rückt an, um sie aus dem Weg zu räumen. Und die umstehenden Personen gleich mit.
Innensenator Wrocklage begründet den Schlagstockeinsatz später damit, die Polizei habe gegen StaftäterInnen vorgehen und diese festnehmen wollen. Doch in den beiden nun zur Anzeige gebrachten Fällen hat die Polizei die Festnahme gar nicht erst versucht. Beide Frauen waren schlicht auf dem Weg zum Konzert. „Sie wurden zusammengeschlagen und liegen gelassen“, sagt Beuth.
Gefährliche Körperverletzung im Amt, lautet sein Vorwurf gegen die noch unbekannten Täter. Dass die Festnahme von StraftäterInnen nur der Vorwand war, im Schanzenviertel mal richtig durchzugreifen, zeigt sich für Beuth noch an anderer Stelle. Im Laufe der Nacht hatte die Polizei die Flora abgeriegelt und die dortigen KonzertbesucherInnen nicht mehr rausgelassen. Bis morgens um sechs Uhr wurden 123 Menschen in dem Gebäude festgehalten. Auch das sei zur Ermittlung von StraftäterInnen erforderlich gewesen, hatte Wrocklage später gesagt. Denn einige Männer und Frauen, die zuvor auf dem Schulterblatt Barrikaden errichtet hatten, wären vor der Polizei in die Flora geflüchtet. Doch „gegen keine der 123 Personen“, so Beuth, „wurde auch nur ein Ermittlungsverfahren eingeleitet“.
Der Anwalt ist zuversichtlich, dass die Staatsanwaltschaft durch das vorgelegte Beweismaterial die Täter ermitteln wird und diese für die schweren Misshandlungen noch bestraft werden können. Ein Nachspiel hat die Auseinandersetzung rund um die Rote Flora bereits gehabt. Die Bild-„Zeitung“ hatte eine Hetzkampagne gegen die Flora losgetreten und die Adressen von Vorstandsmitgliedern veröffentlicht. Gegen die verantwortlichen RedakteurInnen hatte Beuth im Juli Strafanzeige erstattet. Zudem hatte er sich beim Hamburger Datenschutzbeauftragten und beim Deutschen Presserat beschwert. Und der hat dem Springer-Blatt seine „Missbilligung“ ausgesprochen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen