: Selbstreinigung in Angriff genommen
■ Proteste gegen Abwicklungspläne der Humboldt-Universität halten an/ Konzil beschloß Schritte zur Neustrukturierung der Fachbereiche/ Auseinandersetzung mit belasteten Wissenschaftlern beginnt
Mitte. Die Proteste gegen die bisher nichtöffentlichen Pläne der Wissenschaftsverwaltung des Senats, Teile der Humboldt-Universität abzuwickeln, halten weiter an. Seit Tagen demonstrieren StudentInnen mit einer Mahnwache vor dem Hauptgebäude gegen die politischen Eingriffe in den Erneuerungsprozeß der Uni. Die Fraktion Bündnis 90/Grüne/UFV fordert für heute eine Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung zu diesem Thema. Ohne Kenntnis und Zustimmung des Stadtparlaments, so ihre Begründung, können solch schwerwiegende Entscheidungen über die kulturelle Zukunft der Stadt nicht gefaßt werden. Sie kritisieren mangelnde Öffentlichkeit in dem Verfahren und fordern, die Betroffenen in den notwendigen Reinigungsprozeß der Uni einzubeziehen.
Angesichts der Existenzfrage für ihre Bildungseinrichtung haben die Betroffenen begonnen, den schleppenden Erneuerungsprozeß der Uni wieder in Gang zu bringen. Das Konzil der Universität beschloß nach langen Debatten neue Schritte zur inneren Reform. Dazu wurde eine zentrale Personalstrukturkommission gebildet, die sich aus Hochschullehrern der Humboldt-Uni, auswärtigen Wissenschaftlern, Studenten und technischen Mitarbeitern zusammensetzt.
Für die Wahl der Wissenschaftlern anderer Universitäten wendet sich die Humboldt-Uni an den Wissenschaftsrat, auf dessen Sachverstand sie bei der Neukonzipierung der Fachbereiche nicht verzichten will. Gleiche Kommissionen sollen an den einzelnen Fachbereichen entstehen, die Vorschläge über die inhaltliche Neustrukturierung des Fachbereiches machen und einen entsprechenden Stellenplan entwerfen. Nach diesen Stellenplänen sollen dann Kündigungen im Sinne des Einigungsvertrages ausgesprochen werden.
Entweder weil das ehemalige Arbeitsgebiet nicht mehr benötigt wird, oder weil die betroffenen Wissenschaftler für das neue fachlich nicht geeignet erscheinen, heißt es in dem Konzilbeschluß. Unabhängig von der Stellenplanung, so fordert das Konzil, sollen Kündigungen ausgesprochen werden können, wenn »Verfehlungen in der Vergangenheit« einzelner Wissenschaftler vorliegen. Bei begründetem Verdacht solcher Verfehlungen ist die Universitätsöffentlichkeit aufgefordert, sich an den Ehrenausschuß oder an den Rektor zu wenden. Der Beschluß des Konzils geht im wesentlichen auf einen Vorschlag der Studenten zurück, die sich massiv für eine wirkliche Erneuerung ihrer Uni eingesetzt hatten. Sie hoffen, bei den anstehenden Entscheidungen im Senat angesichts dieses Zeichens nicht übergangen zu werden. anbau
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