: Selbsthilfebücher im SelbstversuchMänner und Meister
Heute: Hans-Werner Meyer. Durchs wilde Kindistan – zwischen Windeln und Wahnsinn
Wer hat es geschrieben? Der Autor des Buches, Hans-Werner Meyer, gehört zu den Schauspielern, deren Gesicht bekannt ist, deren Name einem jedoch partout nicht einfallen will. Macht nichts, schließlich hat Meyer nicht nur einen Beruf, sondern auch noch das unverschämte Glück, eine gebärfähige Frau gefunden und zwei Söhne gezeugt zu haben. Was ihn dann ja zum Vater macht. Weil ihn seine Erfahrung in diesem Fach nicht nur bereicherte, sondern auch verängstigte, kam Meyer die Idee, den ganzen Prozess von der Empfängnis bis zum ersten wirklichen Lachen mit einer Reise in ein gefährliches, unbekanntes Land zu vergleichen: Das wilde Kindistan. Eine charmante Idee. Für fünf Minuten am Väter-Stammtisch. Weil das Meyer aber nicht genügte, wurde aus der Reise kein Gespräch, sondern ein Vaterbuch. Also ein Buch, in dem ein semiprominenter Papa, oft Journalist in Elternzeit, dem gemeinen Volk an den Wickelkommoden Mut machen will. Nach dem Motto: „Ich habe es geschafft, ihr schafft das auch.“ Wobei meist die Betonung auf dem Halbsatz mit dem „Ich“ liegt.
An wen richtet es sich? Laut Meyer: „An jene Männer, die sich schon heimlich aufgemacht haben in das aufregende, fremde Land der Vaterschaft, sei es physisch oder nur in Gedanken, und an ihre Partnerinnen, die sich einen Vaterhelden an ihrer Seite wünschen und nicht wissen, wie sie ihren Kerl dahin lenken sollen.“
Wie sieht es aus? Grüner Einband, Goldschrift und auf dem Cover das Bild des geplagten Autors – Milchflasche in der einen Hand, Baby auf dem anderen Arm. Soll wohl alle die Männer ansprechen, die fest entschlossen sind, die eigene Karl-May-Sammlung an den Sohn weiterzugeben. In den Einband des Buches wurde zudem eine krude gezeichnete Karte vom wilden Kindistan gedruckt. Fein, so kann sich der Leser schon ganz ohne Lektüre zwischen dem „Vorgebirge der Schwangerschaft“, dem „Tal des Staunens“ und den „Wäldern des Alltags“ orientieren, sich selbst davon überzeugen, wie hoch die Mauer zwischen der „Freien Republik Mann“ und Kindistan wirklich ist.
Was steht drin? Der einfache Umstand, dass nun ein Kind im Haushalt lebt, dieses noch wachsen wird, Freude bereitet, aber auch Arbeit macht. Die Reise führt aber in ein fremdes Land, folglich verpackt der Autor diese Selbstverständlichkeiten in komplizierte, meist lächerliche Bilder. Er reitet mit wehendem Haar über weite Ebenen, fürchtet sich vor marodierenden Banden. Die Partnerin nennt er „Dame des Herzens“, das Kind „Meister“, Sex in der Schwangerschaft ein „Gebirgsblümchen“. Den Fließtext unterbrechen immer wieder Fragen eines unbedarften Reisebegleiters, der den Autor für seine Allwissenheit anhimmelt und in diesem langweiligem Buch Sätze sagen darf wie: „Mach es nicht so spannend!“
Besonders abstoßend? Meyers Überlegungen, was nach der Geburt mit der Plazenta zu tun sei. „Der Reisende im Lande Kindistan darf ihn mitnehmen, wenn er will. […] Darum haben wir ihn erst mal eingefroren, diesen wundersamen Mutterkuchen, eingewickelt in grünes Krepppapier.“
Besonders anziehend? Nichts
Der Satz, der Ihr Leben verändert: Keiner.
Ausgestiegen auf: Seite 220.
Gesamturteil? Vernichtend. Liebe Väter, versaut euch eure erste Zeit mit dem Kind nicht, indem ihr dieses Buch lest.
NATALIE TENBERG
■ Hans-Werner Meyer: „Durchs wilde Kindistan – zwischen Windeln und Wahnsinn“. 256 Seiten, 16,95 €, Südwest Verlag