Selbstbestimmungsgesetz: Doch keine Abstimmung über Queer-Register im Bundesrat
Der Bundesrat sollte über die Kennzeichnung geänderter Geschlechtseinträge im Melderegister abstimmen. Dann wurde der Punkt von der Tagesordnung gestrichen.
Fachverbände hatten ebenso wie Datenschützer:innen vor dem hohen Diskriminierungspotenzial und dem Risiko eines „Registers für trans Personen“ gewarnt. Der öffentliche Druck scheint nun Wirkung gezeigt zu haben: Eine Verordnung des Bundesinnenministeriums (BMI), die vorsieht, geänderte Vornamen und Geschlechtseinträge zukünftig im Melderegister zu kennzeichnen, wurde kurzfristig von der Abstimmung im Bundesrat zurückgezogen. Unter den Landesregierungen fehlte offenbar die erforderliche Mehrheit.
Als Tagesordnungspunkt 57 war die „Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag im Meldewesen“ am Freitag im Bundesrat angesetzt. Zu einer Abstimmung kam es jedoch nicht, zu deutlich war offenbar bereits im Voraus die Skepsis in den Ländern. Letztlich sei der Punkt auf Antrag des CDU-geführten Hessen von der Tagesordnung genommen worden, heißt es aus grünen Bundesratskreisen.
Weil es sich beim Meldewesen um Ländersache handelt, bedarf es der Zustimmung der Länderkammer. „Offensichtlich hat die Bundesregierung kalte Füße bekommen, weil sie im Bundesrat aktuell keine Mehrheit für ihre Pläne findet“, sagte die queerpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Nyke Slawik.
‚Altes Geschlecht‘ würde dauerhaft mitgeführt
Mitte Juli waren die Pläne des Bundesinnenministeriums unter Alexander Dobrindt (CSU) zur Umsetzung des neuen Selbstbestimmungsgesetzes erstmals bekannt geworden. Sie sehen vor, dass der frühere Vorname und Geschlechtseintrag einer Person und das Änderungsdatum zukünftig im Melderegister angezeigt und auch an andere Behörden wie die Bundeszentrale für Steuern und die Rentenversicherung übermittelt werden. Bisher war der frühere Eintrag mit einem Sperrvermerk versehen, lediglich der aktuelle Eintrag war einsehbar. Das BMI argumentierte jedoch, die Kennzeichnung sei notwendig, um die Identifizierbarkeit zu gewährleisten.
Bei Fachverbänden und unter Datenschützer:innen blickte man kritisch auf die Regelung, die verfassungs- und datenschutzrechtlichen Bedenken waren groß. Das noch von der Ampel-Koalition eingeführte Selbstbestimmungsgesetz würde damit ad absurdum geführt, so die Kritiker:innen. „Die Speicherung und Weitergabe früherer Geschlechts- und Namensangaben kann zu Zwangsoutings im Kontakt mit Behörden führen – mit möglichen Folgen wie Diskriminierung und Stigmatisierung“, sagte der Bundesverband trans.
„Faktisch entsteht ein Mechanismus, der das ‚alte Geschlecht‘ dauerhaft mitführt, obwohl das Selbstbestimmungsgesetz gerade darauf abzielt, dass Menschen nach einer Änderung nicht mehr an ihren früheren Geschlechtseintrag gebunden sind“, heißt es vom LSVD – Verband Queere Vielfalt. Auch das Argument der Identifizierbarkeit sei nicht nachvollziehbar, denn Änderungen von Vornamen und Geschlechtseintrag sind schon seit vielen Jahren durch das Transsexuellengesetz möglich, wobei die Identifizierbarkeit nie ein Problem darstellte.
Auch aus dem Bundesrat selbst gab es Bedenken. So empfahl der Familienausschuss, dem Gesetz nicht zuzustimmen. Die Erforderlichkeit der Regelungen werde nicht hinreichend belegt, heißt es in der Begründung.
Aufatmen bei Opposition und Verbänden
Bei den Grünen war die Freude über die abgesetzte Abstimmung groß: „Der Protest gegen das geplante Sonderregister für trans*, inter* und nicht-binäre Personen wirkt!“, sagte die Grüne Nyke Slawik. Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Misbah Khan, begrüßte die nun erst einmal abgesetzte Abstimmung.
Die Bundesregierung müsse sich „den Vorwurf gefallen lassen, mit ihrem Vorgehen nicht nur unnötiges Misstrauen gegenüber queeren Menschen geschürt und sich dabei erneut mit rechtsextremen und menschenfeindlichen Kräften gemeingemacht zu haben“, so Khan. Sondern auch, „erneut versucht zu haben, ein verfassungsrechtlich höchst problematisches Vorhaben ohne gesicherte politische Mehrheit durchzusetzen“.
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