Meilenstein mit offenen Fragen

Der Bundestag debattiert am Mittwoch über das Selbstbestimmungsgesetz für die Rechte von trans, inter und nicht-binären Menschen. Den einen geht es nicht weit genug, die anderen fordern höhere Hürden

Von Nicole Opitz

Am Mittwoch debattiert der Bundestag in erster Lesung über das geplante Selbstbestimmungsgesetz. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass trans, inter und nicht-binäre Personen ihren Geschlechtseintrag sowie Vornamen künftig beim Standesamt ändern lassen können. Es soll das größtenteils verfassungswidrige Transsexuellengesetz ablösen und ab dem 1. November 2024 gelten.

Das Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) und das Bundesfamilienministerium von Lisa Paus (Grüne) hatten monatelang um Kompromisse beim Selbstbestimmungsgesetz gerungen. „Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der aus ihrer Sicht sachgerecht ist“, sagte auf taz-Anfrage nun Familienministerin Paus. Er biete eine „rechtliche Grundlage, die unserer vielfältigen und freiheitlichen Gesellschaft gerecht wird“.

„Der Gesetzentwurf ist ein Meilenstein und ich bin mit dem Entwurf zufrieden“, sagte Jürgen Lenders, Sprecher für LSBTI der FDP-Fraktion, der taz. „Wir überwinden mit dem Selbstbestimmungsgesetz das entwürdigende und in Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz und verbessern die Rechtslage für transgeschlechtliche Menschen.“

Auch die grüne Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik freut sich darüber, dass die bisher für eine Änderung des Geschlechts­eintrags notwendigen psychologischen Gutachten sowie Gerichtsverfahren wegfallen werden. Sie sieht aber auch Nachbesserungsbedarf. So kann laut bisherigem Gesetzentwurf der männliche Geschlechtseintrag nicht geändert werden, wenn der Änderungsantrag im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem Spannungs- oder Verteidigungsfall gestellt wird. Auch dann aber müsse es „nach wie vor Möglichkeiten geben, das Recht auf Selbstbestimmung, die unter anderem unser Grundgesetz fordert, in Anspruch zu nehmen“, sagte Slawik der taz.

„Der Entwurf bleibt weit hinter den Erwartungen zurück“

Kalle Hümpfner, Bundesverband Trans*

Auch der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), hofft auf Nachbesserungen im parlamentarischen Verfahren – etwa beim sogenannten Hausrechtsparagrafen. Demnach sollen Betreiber_innen von Frauensaunen selbst entscheiden können, wer Zutritt bekommt. Auch die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, äußerte diesbezüglich mehrfach Kritik. Slawik sagte, solche Passagen würden bei Betroffenen „das Gefühl hinterlassen, ihnen werde dennoch weiterhin misstraut“.

In der Opposition sieht man das Gesetz aus unterschiedlichen Gründen kritisch: Während die AfD mit transfeindlichem Hass Wahlkampf macht, geht der Linkspartei der bisherige Entwurf nicht weit genug. Die Union wiederum will an einer Nachweispflicht festhalten: „Für uns von der Unionsfraktion steht fest, dass es zwingend gewisse Voraussetzungen für einen Wechsel des Geschlechts­eintrags geben muss“, so Mareike Wulf (CDU). Die bisherigen Hürden sollten trotzdem abgesenkt werden. „So käme etwa für erwachsene Menschen eine Beratungsverpflichtung statt einer medizinischen Begutachtung infrage“, so Wulf.

Zum Selbstbestimmungsgesetz waren im Mai 54 Stellungnahmen bei der Bundesregierung eingegangen. Im August wurde es im Kabinett beschlossen. Viele Verbände sehen ihre Kritik jedoch nicht zur Genüge wahrgenommen. So betonte Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans*, der Entwurf bleibe „weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück“. Es bestehe „dringender“ Nachbesserungsbedarf, damit das Selbstbestimmungsgesetz „seinem Namen gerecht wird“, so Hümpfner.