: Seit 1986 AIDS–Datei beim BKA
■ Bundeskriminalamt und Länderpolizei speichern personenbezogene AIDS–Vermerke / Innenminister wissen von der rechtswidrigen Erfassung / Polizei gibt „Eigenschutz“ als Grund an / Süssmuth–Ministerium zeigt sich nicht informiert
Berlin (taz) - Mit Kenntnis der Innenminister der Länder und des Bundesinnenministers werden seit Frühjahr 1986 AIDS–Infizierte in Polizeicomputern gespeichert. Sowohl beim Bundeskriminalamt im INPOL–System als auch in den Polizeicomputern fast aller Bundesländer werden bei AIDS–infizierten personengebundene Hinweise wie „ANST“ für Ansteckungsgefahr oder „Vorsicht, Blutkontakt vermeiden“ angefügt. Die unrechtmäßige Registrierung wurde vom Arbeitskreis II (Öffentliche Sicherheit und Ordnung) bei der Innenministerkonferenz im Dezember 1985 beschlossen. Aus der bekanntgewordenen Sonderbehandlung von Drogenabhängigen läßt sich schließen, daß die Polizei ihre Erkenntnisse von den Strafvollzugsanstalten bezieht. Bislang sind, nach einem Bericht des Fernsehmagazins Panorama, rund 200 in den verschiedenen Computern gespeichert. Das Bundesgesundheitsamt geht von insgesamt 30.000 bis 100.000 AIDS–Infizierten aus. Der baden–württembergischen Datenschutzbeauftragten Ruth Leutze liegen Anhaltspunkte vor, daß die Vermerke auch von den Gesundheitsämtern kommen. Der hessische Datenschutzbeauftragte Spiros Simits hält die Speicherung für „bedenklich und wenig wirksam“ und sieht darin „einen ersten Schritt“ zu einer „AIDS–Datei“. Die Polizeibehörden begründen die Registrierung mit dem erforderlichen „Schutz“ von Polizei– und Feuerwehrbeamten im Einsatz. Der Leiter der Abteilung Virologie beim Bundesgesundheitsamt und Vorsitzender der Arbeitsgruppe AIDS beim Bundesgesundheitsminsterium, Prof. Meinrad Koch, sagte dagegen zur taz: „Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es für die Polizei keinerlei Veranlassung, HIV–Infizierte besonders zu behandeln. Deshalb gibt es auch keine Notwendigkeit, Personen als HIV–infiziert zu registrieren.“ Dem Bundesgesundheitsministerium war die Registrierung bis gestern offiziell nicht bekannt. Gesundheitsministerin Süssmuth hatte sich bislang vehement gegen eine Meldepflicht gewandt. woz Tagesthema Seite 3
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