: Seine wundervolle Welt
■ Der größte Liebhaber von allen: Jeremy Levens Don Juan DeMarco erzählt nicht diese, sondern eine andere Geschichte
Das erste Bild zeigt uns ein Buch, gebettet auf rotem Samt. Es enthält die Abenteuer des größten Liebhabers aller Zeiten, Don Juan, und wir, die wir vielleicht als Leser, viel wahrscheinlicher aber als Filmpublikum schon mal etwas von Don Juan gehört und gesehen haben, erwarten nun die Geschichte Don Juans aus dem Jahre 1995. So bleibt das Buch vom Anfang gleich aus zwei guten Gründen geschlossen: Zum einen handelt es sich um eine andere Geschichte, um die des Don Juan DeMarco, zum anderen geht es auch um ein neues Medium, um Kino.
Man könnte die Geschichte des Films Don Juan DeMarco, der auch im Deutschen den Untertitel The Greatest Lover In The World führt, von mindestens zwei Seiten aus erzählen. Etwa ausgehend von jenem 21jährigen „Don Juan“ (Johnny Depp), der sich, nachdem sich ihm eine seiner tausend Geliebten verweigert, das Leben nehmen will. Andererseits könnte man mit dem Psychiater Dr. Jack Mickler (Marlon Brando) beginnen, der als letzten Fall gerade jenen suizidgefährdeten jungen Mann zu heilen hat, der sich mit Mantel und Maske als „Don Juan“ vorstellt und daraufhin in eine geschlossene Anstalt eingewiesen wird. In jedem Fall wird bald das beide verbindende Element, die Psychiatrie, zum Zentrum des Geschehens werden, beziehungsweise die dort stattfindenen Therapiesitzungen. Dort erzählt Don Juan seinem Arzt seine Lebensgeschichte.
Je öfter er von sich erzählt und je besser sich seine Zuhörer danach zu fühlen beginnen, desto klarer wird die Parallele zwischen Don Juans Auditorium in der Anstalt und uns als Kinopublikum. Ermöglicht erst durch die filmische Illustration der Erzählungen Johnny Depps, durch die klassischen Rückblenden, über die sich die Geschichten für uns erst vermitteln, erscheinen Don Juans Therapiestunden wie Heim-Kino für seinen Arzt. Nur logisch, daß es da auch Johnny Depp und nicht Marlon Brando ist, der die Sitzungen mit den Worten beendet: „Ich sehe, unsere Zeit ist vorbei.“
Sie werden kaum genutzt bleiben, dennoch finden sich hier, wo Kino und Psychoanalyse auf engstem Raum zusammenkommen und quasi die einzige Verbindung zwischen Mickler und Don Juan bilden, zahlreiche Möglichkeiten, von Kino und Film selbst zu reden. So kulminiert das gefühlige Spiel um narrative Kraft, um die Flucht in die Illusion, die für die Teilhabenden keine ist, in der Besetzung – darin, daß es gerade Marlon Brando als eine der größten Ikonen des Kinos überhaupt ist, der hier die Macht der Kino-Erzählungen erfährt: „Wenn ich ihm Pillen gebe“, erkennt er hingerissen, „komme ich nie in seine Welt, die wundervolle.“
Jan Diestelmeyer
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