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Sein Reim auf Schmerz

Konzert Heinz Rudolf Kunzes letztes Album, „Meisterwerke: Verbeugungen“, enthielt Coverversionen von Roy Black bis DAF. Im Berliner Konzert verneigte er sich aber lieber vor seinen eigenen Liedern

Rock ohne Rock: Heinz Rudolf Kunze präsentiert „Meisterwerke“ im Admiralspalast Foto: Joanna Kosowska

Thomas Mauch

Den Sänger Heinz Rudolf Kunze kennt man abseits der engeren Kunze-Fangemeinschaft am ehesten wegen des Liedes „Dein ist mein ganzes Herz“, seines bis dato größten Hits. Das war 1985. Und dann kennt man Kunze vielleicht noch als den Fürsprecher für eine Mindestquote deutscher Rockmusik im Radio und als den Mann, der sich 1996 in einem Interview des Spiegels als Sprecher von rund 600 deutschsprachigen Künstlern über „die Flut von ausländischer Musik und eben auch ausländischem Schund“ beklagte.

Was Kunze nun wohl gern im Radio hören würde an deutschsprachigen Liedern, legte er mit seinem im Herbst vergangenen Jahres erschienenen Album „Meisterwerke: Verbeugungen“ vor. Ein Album, das er sich auch zu seinem 60. Geburtstag vergangenes Jahr schenkte, eine Platte nur mit Coverversionen. Lieder von Freddy Quinn und Hildegard Knef, von Udo Jürgens, Ideal, Thees Uhlmann, Casper, Münchener Freiheit. Auch was von DAF und den Einstürzenden Neubauten. Selbst der Osten, die DDR, wurde nicht vergessen mit Liedern von Karat und den Puhdys.

Was ja durchaus eine interessante Mischung ist bei einer Vermessung der deutschen Lieder, von der Jahrhundertschnulze „Ganz in Weiß“, dem Millionenhit von Roy Black aus den Sechzigern, beim „Meisterwerke“-Album als erste Verbeugung zu hören, bis zum „Haus der Lüge“ von den raunenden Rumoristen Einstürzende Neubauten zum Schluss.

Im Rahmen der Tournee zum Album gastierte Heinz Rudolf Kunze am Freitag im gut gefüllten, allerdings bei Weitem nicht ausverkauften Admiralspalast. Außerdem hatte man im Titel der Tour die „Verbeugungen“ gestrichen. Nur noch „Meisterwerke“ lautete das Motto.

Los ging es mit dem gefühligen „Blumen aus Eis“, einem Lied von Karat, dem Kunze die gleichfalls gefühlige Nummer „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ von Thees Uhlmann folgen ließ. Er sang den Ärzte-Hit „Deine Schuld“. Nicht so drängelnd und kumpelig wie Farin Urlaub, sondern eher staatstragend oder halt väterlich zuwendend, um dem Bengel – dem Text folgend – nahezubringen, dass Veränderung in der Welt schon möglich sei, dass man aber halt was dafür tun müsse.

Atemlos durch die Nacht

„Ganz in Weiß“ sang Kunze nicht und auch nicht „Haus der Lüge“. Dafür sang er die anderen Lieder, seine eigenen. Nur sieben seiner „Verbeugungen“ aus dem Album gönnte er sich an diesem Abend, und all die anderen „Meisterwerke“ in dem knapp dreistündigen – also recht großzügig bemessenen – Programm waren Arbeiten aus seinem Repertoire. Was man doch als Ausrufezeichen lesen musste, dass der Mann unbedingt der Meinung ist, dass in den Kanon der deutschsprachigen Liedkultur viel Kunze gehört. Und zwar Heinz Rudolf Kunze.

So ging es ziemlich atemlos durch die Nacht, eine Gefühligkeit folgte der anderen, mit sprachlich durchaus gewandten Liedern, die immer ein wenig bequem klangen und nach wohlgenährter Behaglichkeit. Oder eben danach, dass man genau die gern hätte, die Behaglichkeit. Also Rockschlager. Und dann wieder was Rockähnliches oder was Schlagernahes. Dann folgte wieder Schlagerrock oder auch mal Rock ohne Rock, dafür aber mit einem angepappten Gitarrensolo von seiner natürlich vorzüglich arbeitenden Begleitband.

Aber wenn das die Leute eben hören wollen, um es sich mal einen Abend lang behaglich zu machen mit einem Mann, der laut Wikipedia immerhin als „intellektueller Rock-Poet“ geführt wird. Der es dann für den Distinktionsgewinn für sich und möglicherweise auch sein Publikum nötig hatte, in einer Moderation, gegen all die zu sticheln, die sich musikalisch mit einem Matthias Reim und dessen Schlagern begnügen.

Zum Abschluss des Abends gab es Standing Ovations, forderndes Stampfen nach Zugaben, das ganze Brimborium eben. Zum Füttern wurde von Kunze gleich „Dein ist mein ganzes Herz“ in die Menge geschmissen, die sich des Refrains bemächtigte und auch das dazugehörige „Du bist mein Reim auf Schmerz“ mitsang. Und ein Meisterwerk gab es auch noch zu hören, „Berlin“ von Ideal, dieses Heimatlied aus einer längst untergegangenen Zeit.

Die Musiker der Band mussten dazu Blues-Brothers-mäßig Sonnenbrillen tragen. Was natürlich ungemein – tja – rockte.

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