Seehofers Twitter-Start: Jetzt geht’s los mit den Parolen
Anfang August hatte Seehofer es angekündigt, jetzt setzt er es um: Der Innenminister twittert. Verstanden hat er die Plattform allerdings nicht.
Bei einer Bierzeltrede Anfang August kündigte Innenminister Horst Seehofer an, mit dem Twittern zu beginnen. Er sehe sich dazu gezwungen, um manche Wahrheiten selbst unter das Volk zu bringen, denn die Presse fahre eine Kampagne gegen ihn als den „bösen Seehofer“. Nach der parlamentarischen Sommerpause startete sein Projekt am Dienstag mit einer Videobotschaft: Er hoffe, mit den Nutzern in Dialog zu kommen, denn es sei schon immer seine „politische Leitlinie, mit den Bürgern zu reden, auf sie zu hören und die Meinung der Bürger auch in praktische Politik umzusetzen.“
Dafür wolle er sich jetzt „der ganz modernen Methoden bedienen“. Gekennzeichnet seien seine Tweets – vom offiziellen Account des Bundesinnenministeriums aus abgesetzt – mit dem Kürzel (HS). Sein erster Tweet ein paar Stunden später mahnte den „Kampf gegen jeglichen Extremismus“ an.
Seehofers Twitterbeginn zeigt: Er ist nicht lernfähig. Dass er nicht verstanden hat, dass ein politisches Amt – wie das des Innenministers – kein Platz für einen aufmerksamkeitssuchenden Selbstinszenierer ist, wissen wir spätestens seit seinem nebulösen Masterplan. Den hatte er mit seiner Funktion als CSU-Vorsitzender – nicht als zuständiger Innenminister – unterschrieben und wochenlang geheim gehalten. Auch deswegen ist seine vermeintliche Transparenz-Offensive auf Twitter lächerlich.
Gleichzeitig hat er Twitter offensichtlich ganz grundlegend nicht begriffen. Das beginnt schon mit dem halbminütigen Video an sein Publikum, das so gar nicht auf diese Plattform passt, die von kurzen Texten lebt. Dass er nur Männer anspricht und sich nicht wenigstens Zeit für die Anrede „Bürgerinnen und Bürger“ nimmt – nicht überraschend, aber ganz schön von vorgestern.
Und dann die abgedroschene Dialogankündigung, die floskelbeladener nicht sein könnte – und inhaltsleerer. Sein erster Tweet ist überhaupt kein Diskussionsangebot. Er ist Populismus und Parolendrescherei, wie sie auch vom amerikanischen Twitter-Präsidenten Donald Trump kommen könnte. Das Internet bleibt Neuland, Seehofers ungelenker Versuch macht ihn nur noch lächerlicher und älter. Und dass der nächste Tweet, der ankündigt, dass die Beantwortung der zahlreichen Rückmeldungen Zeit brauchen werde, mit „Redaktion“ unterschieben ist, nimmt dem Projekt noch die letzte Authentizität.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance