Schwimmtraining in Corona-Zeiten: Plansch-Olympiade

Wegen Corona bleiben viele Schwimmbäder geschlossen. In Kalifornien improvisieren Jacob Heidtmann und Marius Kusch mit einem privaten Gartenpool.

lächelnder Mann in Badehose lässt die Beine in einem Pool baumeln

Sitzt fürs Foto auch mal auf dem Trockenen: Schwimmer Marius Kusch im privaten Pool in San Diego Foto: dpa/Haupt

Jacob Heidtmann und Marius Kusch hatten gerade einen Lauf, als das Virus kam und ihnen einen Strich durch die Rechnung machte. Die beiden Schwimmer im kalifornischen Profiteam „Elite“ hatten gerade locker die deutsche Olympianorm geknackt, und ihre Leistungen bei Profi-Meetings im Frühjahr wiesen sie eindeutig als Finalkandidaten für Tokio aus. Vielleicht wäre sogar noch mehr für sie drin gewesen, wenn die Schwimmwettbewerbe in Tokio in diesem Sommer stattgefunden hätten.

Doch dann machten in Kalifornien, wo es vielleicht mehr Weltklasseschwimmer gibt als irgendwo anders, von einem Tag auf den anderen die Schwimmbäder zu. Weitere drei Wochen dauerte es noch, bis die Spiele dann auch offiziell verschoben wurden und aus dem Olympiaballon der beiden Schwimmer die Luft entfuhr wie ein trockener Furz.

Wie viele andere Olympioniken in diesem Jahr mussten Heidtmann und Kusch sich erst einmal neu sortieren. Anders als etwa Läufer oder Radsportler konnten sie in dieser Lage jedoch nicht einmal ihre angestaute Energie in harte Trainingseinheiten kanalisieren.

Wie beinahe überall in der Welt machten in Kalifornien Mitte März alle Schwimmbäder zu. Kaum ein Ort gilt als ein idealeres Biotop für Bakterien und Viren als Duschen und Umkleidekabinen öffentlicher Bäder, und auch für Olympiaschwimmer wurde da keine Ausnahme gemacht.

2020 ist ein Olympiajahr. Doch die Spiele von Tokio sind pandemiebedingt ins nächste Jahr verschoben worden. Trainiert und gesportelt wird trotzdem auch in diesem Jahr. Es wird geschwommnen, gefochten, gelaufen, gerungen und gesprungen. Den besonderen Herausforderungen des olympischen Sports zu Coronazeiten widmet die Leibesübungen-Redaktion der taz einen Schwerpunkt.

Schwimmen im 14 Grad kalten Pazifik

Heidtmann und Kusch hatten als Wahlkalifornier zumindestens noch Zugang zum Meer. Also ging es beinahe täglich hinunter an den Strand, manchmal mit, manchmal ohne Surfbrett. Dass der Pazifik im März und April gerade einmal 14 Grad warm war, hielt sie nicht davon ab, den regelmäßigen Kontakt mit ihrem bevorzugten Element zu suchen.

Nicht alle Kollegen der beiden deutschen Schwimmer konnten so leicht in freie Gewässer wechseln. So saßen etwa die beiden Olympiasieger Nathan Adrian und Ryan Murphy lange Zeit auf dem Trockenen. Von Murphy waren in dieser Zeit Videos zu sehen, wie er zur Krafterhaltung ein Auto im Leerlauf den Berg hochschob und an einem Ast vor seinem Haus Klimmzüge machte. Adrian schnallte sich Gewichte an die Füße, um im 15 Meter kurzen Becken in seinem Garten nicht allzu schnell ans andere Ende zu gelangen.

Sharon van Rouwendaal pumpte ein Planschbecken auf, band sich an ein Gummiseil und schwimmt auf der Stelle. Ein Trend.

Auf einen Gartenpool wichen auch die beiden Olympiasiegerinnen Katie Ledecky und Simone Manuel aus. Die beiden fanden in San Francisco, wo sie leben und trainieren, einen wohlhabenden Gönner, der auf seinem Grundstück ein Bad von 25 Yards Länge hat – dem Standardmaß für den amerikanischen College-Sport. Dort ziehen nun schon seit März ihre Bahnen.

Die holländische Olympiasiegerin im 10 Kilometer Freiwasserschwimmen, Sharon van Rouwendaal, griff an ihrem Trainingsort Montpellier in Südfrankreich zu noch verzweifelteren Maßnahmen. Um ihre Grundfitness zu erhalten, begab sie sich in ihrem Hinterhof in ein aufblasbares Planschbecken, wo sie an einem Gummiseil stundenlang auf der Stelle schwamm. Damit trat sie einen regelrechten Trend los: Schwimmer auf der ganzen Welt bestellen sich seit April Kleinbecken für den Hausgebrauch nebst Gummileinen.

Umziehen am Beckenrand

Den deutschen Olympiaschwimmern geht es da noch vergleichsweise gut. An den Olympiastützpunkten in Magdeburg, Hamburg, Würzburg oder Essen wird seit Anfang Juni wieder beinahe normal trainiert. Doch der Zugang zur Schwimmhalle bleibt begrenzt, nur die Spitzenschwimmer werden geduldet, umgekleidet wird am Beckenrand, Duschen und Kabinen bleiben zu.

Heidtmann und Kusch haben in Los Angeles mittlerweile auch jemanden gefunden, der ihnen seinen Gartenpool zur Verfügung stellt, in dem sie nun Sprinten üben können. Viele der großen Trainingszentren in den USA bleiben jedoch geschlossen. Olympiasieger Murphy muss von Woche zu Woche improvisieren und schauen, wo er mit seiner Trainingsgruppe im Großraum San Francisco unterkommt.

In den kommenden Wochen dürften die Bedingungen für die amerikanischen Schwimmer eher noch schlechter werden. Kalifornien und Florida, die Zentren des Schwimmsports, gehören zu den Staaten, in denen die Corona-Infektionen wieder dramatisch ansteigen. Der kalifornische Gouverneur hat deshalb bereits viele öffentliche Einrichtungen, darunter Schwimmbäder, wieder geschlossen. Der republikanische Gouverneur von Florida, Ron De Santis, gedenkt hingegen weiterhin, das Virus zu ignorieren. Training findet dort nun auf eigene Gefahr statt.

Noch ungewisser als die Trainingsmöglichkeiten ist für die Schwimmer derzeit das Wettkampfprogramm. Bis auf Weiteres sind keine Meetings geplant. Die Weltmeisterschaften im Dezember hängen in der Luft. Die US-Schwimmer wissen nur, dass sie irgendwann im kommenden Jahr ihre Ausscheidungswettbewerbe für Tokio 2021 haben werden – ihre einzige Chance, sich zu qualifizieren. Die Deutschen haben es da etwas besser: Schwimmer wie Heidtmann und Kusch, die ihre Norm bereits erfüllt haben, sollen auch 2021 für das Team vorgeschlagen werden.

Grund, sich fortan voll und ganz auf das Surfen zu konzentrieren, kann das jedoch nicht sein. „Es ist eine große Gefahr, sich jetzt gehen zu lassen“, sagt Kusch. Mit Wellenreiten allein ist in Tokio keine Medaille zu gewinnen.

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