piwik no script img

Schwimmen in Berlin„Nur was für Hartgesottene“

Wasser kalt, Eintritt teuer: Nicht nur der viele Regen sei am Besucherrückgang in den Sommerbädern schuld, sagt der Politologe Frank Biermann

An wärmeren Tagen im Prinzenbad Kreuzberg Foto: dpa
Interview von Plutonia Plarre

taz: Herr Biermann, Sie haben die Sommerbilanz der Berliner Bäder zum Anlass für eine eigene Erhebung genommen. Zu was für einem Ergebnis sind Sie gekommen?

Frank Biermann: Die Bäder-Betriebe haben Ende August von einem Besucherrückgang in den Sommerbädern von 20 Prozent gesprochen und das auf das schlechte Wetter in dieser Saison zurückgeführt. In meinen Augen ist das aber nicht der entscheidende Faktor.

taz: Sondern?

Biermann: Das kältere Wasser in den Becken und die Preiserhöhung sind mindestens genauso wichtig. Ich habe drei Bäder analysiert, die in diesem Sommer nicht mehr beheizt worden sind – kaltgestellt trifft es besser. Und zwar die Sommerbäder Humboldthain, am Insulaner und Olympiastadion.

Im Interview: 

Frank Biermann

66, ist Diplompoli­tologe. Wenn das Wasser erträgliche Temperaturen hat, geht er zwei bis drei Mal in der Woche schwimmen.

taz: Wie sind Sie vorgegangen?

Biermann: Von den Bäder-Betrieben habe ich mir die Besucherzahlen dieser drei Bäder geben lassen. Bekommen habe ich leider nur Monatszahlen, nicht Zahlen für jeden Tag, wie ich es gerne gehabt hätte. Zwischen den Monatszahlen und den Sommertagen habe ich dann einen Bezug hergestellt.

taz: Was heißt Sommertag?

Biermann: Das sind Tage, wie sie die Meteorologen auch nennen, also 25 Grad Lufttemperatur und mehr. In meiner schriftlichen Analyse nenne ich das Badetag. Als zusätzliches Kriterium habe ich in meine Untersuchung eingeführt, dass es an diesen Tagen nicht geregnet hat. Wenn es kein gutes Wetter ist, gibt es immer eine Grundmenge an Stammschwimmern, aber die Mehrheit geht erst Schwimmen, wenn Badewetter ist, eben bei 25 Grad und mehr.

taz: Was haben Sie dann gemacht?

Biermann: Monat für Monat, von Mai bis Ende August, habe ich die Daten für alle drei Bäder addiert, jeweils getrennt. Dann habe ich die Jahre 2024 und 2025 miteinander verglichen. Und da komme ich auf einen durchschnittlichen Besucherrückgang von 17 Prozent. Wetterbereinigt!

Ende der Freibadsaison

Die Freibadsaison geht zu Ende. Das Olympiabad ist ab Montag dicht, das Prinzenbad schließt am 27. 9., das Gropiusbad am 30. 9.

Aufgrund des Sparzwangs blieb das Beckenwasser in dieser Saison kalt. Nur drei von 14 Sommerbädern wurden beheizt. Was die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) nicht hinderte, die Eintrittspreise zu erhöhen.

Ende August vermeldeten die BBB einen Besucherrückgang von 20 Prozent. Als Hauptgrund wurde das schlechte Wetter genannt. Wer’s glaubt, wird selig. (plu)

taz: Soll heißen: In den drei kaltgestellten Bädern gibt es einen Besucherrückgang von 17 Prozent, der nicht auf das schlechte Wetter dieses Sommers zurückgeführt werden kann?

Biermann: Richtig. Wenn ich mir die absoluten, also nicht wetterbereinigten Zahlen, für diese drei Bäder angucke, bin ich bei einem Rückgang von 30 Prozent.

taz: Wie verträgt sich Ihre Zahl mit der Zahl der Bäder-Betriebe, die bezogen auf alle Sommerbäder von einem Besucherrückgang von 20 Prozent sprechen?

Biermann: Bei den drei Bädern ist der Unterschied natürlich besonders groß, weil sie weder durch eine Fossilheizung noch durch eine Solaranlage beheizt worden sind. Meines Erachtens gibt es als wesentlichen Faktoren neben dem kalten Wasser nur noch die höheren Eintrittspreise.

taz: Das Kreuzberger Prinzenbad profitiert von einer Solaranlage, die Temperatur im Sportbecken beträgt dort zurzeit 22 bis 23 Grad. Im nicht beheizten Olympiabad, das auch noch offen ist, sind es 17 bis 18 Grad.

Biermann: Das ist einfach zu kalt und nur noch was für wirklich Hartgesottene oder für Leute im Neoprenanzug.

taz: Was wollen Sie mit Ihrer Analyse erreichen?

Biermann: Ich hoffe, dass dadurch eine politische Diskussion in Gang kommt. Die Sommerbäder sollten für die breite Bevölkerung da sein und auch für Leute, die es sich nicht leisten können, in Urlaub zu fahren. Meine maximale Forderung ist, dass die Sommerbäder so wie früher ordentlich beheizt werden und man auch bei schlechtem Wetter gerne Schwimmen geht. Und wenn das in Zeiten knapper Kassen und Energiefragen nicht möglich ist, sollte es wenigstens im Norden und Süden der Berliner Innenstadt ein Sommerbad geben, wo das Wasser, so wie früher, auf 25 Grad erwärmt wird. Diese Bäder wären dann auch von den Außenbezirken gut erreichbar.

taz: Haben Sie die Bäder-Betriebe schon mit Ihrer Untersuchung konfrontiert?

Biermann: Nein, ich wollte erst mal die Kritiker dieser Politik mit Argumenten versorgen. Alle Abgeordneten des Sportausschusses haben die Analyse bekommen und auch die Bezirksverordneten in den drei Bezirken, deren Bäder ich untersucht habe. Ein Bezirksverordneter der Linkspartei aus Steglitz-Zehlendorf hat bereits angekündigt, dem Ganzen weiter nachzugehen. In der taz …

taz:der Sie ja gerade dieses Interview geben …

Biermannn: … stand kürzlich, dass die Sicherheitsausgaben in den Sommerbädern 2,5 Millionen Euro betragen. Die Berliner Bäder haben im Frühjahr erklärt, dass sie die Beheizung in den Sommerbädern einstellen müssen, weil sie 3 Millionen Euro weniger zur Verfügung haben. Ich halte das für die vollkommene falsche Prioritätensetzung. Selbst an regnerischen Tagen machen Security-Mitarbeiter Ausweiskontrollen. Das gibt es in keinem anderen Bad in Deutschland.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare