Schwimm-WM in Rom: Zurück zur Badehose?
Dank der Polyurethan-Anzüge sind in Rom 43 Weltrekorde gefallen - so viele wie noch nie bei einer Weltmeisterschaft. Ob sie Bestand haben werden, ist aber unklar.
ROM taz | Die 13. Schwimm-Weltmeisterschaft in Rom wies italienische Züge auf: Die Oberfläche ist berückend schön, das Fundament aber vergammelt. Tausende fröhlicher Römer bevölkerten täglich die azurblau gefärbte Schwimmstadt zwischen Tiber und Olympiastadion, aßen, tranken und palaverten in den Gastro-Pavillons, kühlten sich am künstlichen Wasserfall im Eingangsbereich und jagten eine La-Ola-Welle nach der anderen über die Tribünen des Freiluftstadions. Rom war eine Reise wert.
Welchen Wert die während dieser Reise erzielten Leistungen aber haben, ist unklar. Der Weltschwimmverband Fina befindet sich in der definitorischen Treibsandzone. Der in Rom gefällte Entschluss, die Polyurethan-Anzüge ab Januar 2010 zu verbieten, wird durchs Kleingedruckte aufgeweicht. Bis Ende September soll eine wissenschaftliche Kommission entscheiden, was "Textil" bedeutet.
Danach sollen die Hersteller sagen, bis wann sie die neuen textilen Komponenten produzieren könnten. Verzögerungen sind vorprogrammiert. Ungewiss ist auch, welche Rekorde Bestand haben. "Kehrt man zur Badehose zurück und behält gleichzeitig die aktuelle Rekordliste bei, dann wird es in der nächsten Zeit keine Weltrekorde geben. Aber Sportler brauchen Rekorde als Stimulation, Meetingdirektoren benötigen sie als Aufmerksamkeitserreger", fasst Bundestrainer Dirk Lange das Dilemma zusammen.
Doch welchen Stichtag soll man wählen? Februar 2008, als die derzeitige Anzuggeneration eingeführt wurde? Oder die "Haifischhaut-Festspiele von Sydney 2000? Die Fina vertagt solche Entscheidungen. Die 43 Weltrekorde dieser WM lagern derweil zwischen Papierkorb und Guinnessbuch. Zumindest in Letzterem finden sie wohl auf ewig Platz. Der bisherige Rekordwettkampf von Montreal 1976 wurde um satte 14 Bestleistungen übertroffen. Damals war die Schwimmbrille das technische Optimierungsdetail.
Wider Erwarten stellt sich bei der Auswertung der aquatischen Mensch-Kunststoffhaut-Strömungs-Weltmeisterschaften kein klares Bild ein. Arena X-Glide hat mit 14 Einzelweltrekorden nur knapp die Nase vor Jaked 01 (13) vorn. Die von den Deutschen präferierte Adidas-Wasserfolie (Hydrofoil) und das als veraltet belächelte Speedo-Produkt LZR kamen auf je sechs Rekorde. Die menschliche Komponente scheint also nicht einflusslos.
Aufsteiger der römischen Wochen sind neben den Brasilianern - zwei Goldmedaillen durch den neuen Freistilstar Cesar Cielho Filho und viele Finalteilnahmen - die deutschen Schwimmer. Britta Steffen ist mit Doppelgold und Doppelweltrekord eine Medaillenbank geworden und kann sich ab jetzt die Last der Publikums- und Funktionärserwartungen mit ihrem männlichen Pendant Paul Biedermann teilen.
In die Mannschaft ist zudem ein neuer Geist eingezogen. Nicht mehr Versagensangst drückt die Sportler nieder. Der neue Bundestrainer Dirk Lange, ein Mann mit der bulligen Figur eines Zenturionsführers, hat ihnen etwas von seinem Alphatier-Habitus eingepflanzt. Für Lange spricht, dass er den deutschen Erfolg einordnet: "USA und Australien kommen von ihrem Leistungshöhepunkt bei Olympia, wir aber aus dem Tal."
Schwimmweltmacht Nr. 1 sind weiter die USA. Michael Phelps hat fünf Gold- und eine Silbermedaille bei sechs Starts geholt und ist erneut Superstar der Veranstaltung. Den Rückstand zu Biedermann auf den Freistilstrecken will Phelps Coach Bob Bowman durch Training wettmachen. Anfeindungen in der US-Presse gegen den Mann, der in der Exhochdopingzone DDR geboren wurde, relativierte Bowman. "Biedermann ist ein guter Junge. Er ist stark, er hat einen kräftigen Zug. Ich mag ihn", sagte er der taz.
Doping war bis auf gelegentliche Spitzen in Richtung der Gegner kein Thema. Kein Doper wurde gefunden. Es wurde allerdings auch keiner gesucht. Begleitpersonal für die ausgesuchten Kandidaten gibt es im Schwimmsport nicht. Zur Testabgabe hatten die Athleten 24 Stunden Zeit. Milorad Cavic, der einzige Schwimmer, der derzeit seine Blutwerte veröffentlicht, liegt bei Hämatokrit und Hämoglobin teilweise so hoch, dass Cera-Doper Stefan Schumacher vor Neid erblassen würde. Von der siechen Disziplin Radsport aus gesehen muss man frei nach Wilhelm II. sagen: Die Zukunft des Dopings liegt im Wasser.
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