: Schwerter zu Turnschuhen!
■ Der Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB) der DDR bekommt vom Sportministerium 103 Millionen Mark, fühlt sich als Kirchenmaus und appelliert in seiner Not an die Rüstungsindustrie
Berlin (dpa) - Der Deutsche Turn- und Sportbund der DDR muß den Gürtel noch enger schnallen. Der Dachverband des DDR -Sports, der bereits stark abgespeckt hat, erhält für die zweite Hälfte des laufenden Jahres 103 Millionen Mark an staatlichen Zuschüssen.
Diese Summe gab die Ministerin für Jugend- und Sport, Cordula Schubert bekannt. Das sind 50 Millionen weniger, als der DTSB gefordert hatte. „Ich hoffe, daß die erste Rate bereits am Montag überwiesen werden kann“, sagte Frau Schubert. Wenn das Geld bis zum 8.August nicht auf seinem Konto ist, kann der DTSB seine knapp 6.000 Angestellten nicht bezahlen.
Insgesamt wird der Staat die DDR-Sportverbände mit 124 Mio. Mark unterstützen. Neben dem DTSB erhält die ehemalige Gesellschaft für Sport und Technik, der Bund Technischer Sportarten (BTSV), 20,8 Mio. Mark, das Nationale Olympische Komitee der DDR (NOK) 200.000 Mark. BTSV-Präsident Gernot Badtke sagte nach der Bekanntgabe der Zahlen: „Endlich haben wir einen Nagel, an dem wir uns festhalten können.“ Allerdings werde die Summe nur für die Lohnkosten reichen. Insgesamt hatte der BTSV 33 Millionen Mark beantragt.
„Mit diesem Etat läßt sich nur ganz schlecht leben, das sind einfach 50 Millionen Mark zu wenig“, sagte DTSB -Generalsekretär Jochen Grünwald, der vorher gefordert hatte: „Wir dürfen nicht mit totaler Schlagseite in die Vereinigung gehen.“
Auf einer außerordentlichen Bundesvorstandssitzung am Dienstag wird der DTSB über weitere Entlassungen beraten. Von den ursprünglich dort beschäftigten 10.500 Mitarbeitern, Trainern, Funktionären etc. erhielten bisher 1.500 die Entlassung. Weitere 3.000 DTSB-Beschäftigte müssen nach den Worten des DTSB-Präsidenten Martin Kilian bis zum 30.September gehen. Danach müssen die letzten 6.000 in zwei Etappen bis zum 31.Dezember dieses Jahres als DTSB -Angestellte vor die Tür gesetzt werden.
„Wir sind arm wie Kirchenmäuse“, klagt Grünwald. „Wir haben schon einige Fahrzeuge verkauft. In Thüringen und an der Ostsee haben wir Ferienhäuser, die wir gerne verkaufen würden. Aber darüber entscheidet die staatliche Treuhandstelle, weil es sich natürlich um Volkseigentum handelt. Die daraus zu erzielenden Summen dürften aber sehr gering sein.“
Kilian und Grünwald richteten in ihrer Not sogar einen Appell an Bundeskanzler Helmut Kohl zur Rettung des DDR -Sports. Kilian: „Wenn weniger Geld für Panzer und Kampfflugzeuge ausgegeben würde, wäre unser Sport sofort gesichert.“
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