Schwere türkisch-israelische Krise: Türkei ruft Botschafter zurück
Die Türkei ruft ihren Botschafter aus Israel zurück. Dieser war zuvor einbestellt und vom stellvertretenden Außenminister Ayalon ganz undiplomatisch gedemütigt worden.
Es ist die schwerste Krise in den türkisch-israelischen Beziehungen seit Jahrzehnten. Gestern rief die türkische Regierung ihren Botschafter aus Jerusalem zurück, nachdem dieser am Montagabend vom stellvertretenden israelischen Außenminister Danny Ayalon in "demütigender Weise" vorgeführt worden war. Der Anlass dafür war die letzte Folge einer schon seit Jahren in einem türkischen Privatsender laufenden, sehr erfolgreichen, nationalistischen, aber grob antisemitischen Serie "Tal der Wölfe".
Tatsächlich spiegelt der Vorfall aber vor allem die sich seit Monaten verschlechternden Beziehungen zwischen beiden Ländern wider. Die Zäsur war der letzte Gazakrieg, den die islamisch grundierte Regierung in Ankara nach wie vor scharf kritisiert.
Der türkische Botschafter Oguz Celikkol war nach der Pressekonferenz Erdogans in Ankara zum stellvertretenden Außenminister Ayalon zitiert worden, der ihn erst eine Stunde vor der Tür stehen ließ, dann bewusst auf einem niedrigen Sofa platzierte, demonstrativ die türkische Fahne entfernte und ihn dann im Beisein israelischer Journalisten wegen der Fernsehserie abkanzelte. Botschafter Celikkol sagte anschließend im türkischen Fernsehsehen, er sei in 30 Jahren als Botschafter noch nie "so gedemütigt" worden.
Das löste in der türkischen Öffentlichkeit einen kollektiven Aufschrei aus, wobei völlig unterging, das die Fernsehserie mehr als kritikwürdig ist. Israelische Agenten verschleppen da ein palästinensisches Kleinkind und töten unschuldige alte Menschen, während der türkische Held sich seinen Weg zur Befreiung des Kinds freischießt.
Der türkische Präsident Abdullah Gül ließ gestern erklären, die Türkei erwarte von Israel eine förmliche Entschuldigung, sonst bleibe es bei der Entscheidung, den Botschafter abzuziehen.
Zuvor hatte Ayalon erklärt, er habe zwar in der Sache nichts zurückzunehmen, aber der Umgang mit dem Botschafter sei nicht ganz korrekt gewesen. Auch das Büro von Ministerpräsident Netanyahu teilte nur mit, man bedauere die Form der Auseinandersetzung. Für das israelische Außenministerium war die Fernsehsendung offenbar nur ein Vorwand, um gezielt einen Eklat herbeizuführen.
Innerhalb der israelischen Koalitionsregierung ist der Umgang mit der Türkei stark umstritten. Während Außenminister Lieberman für Härte bis zum Abbruch der Beziehungen plädiert, will Verteidigungsminister Ehud Barak den Konflikt bereinigen. Er hatte für Sonntag eine Reise nach Ankara geplant, um die Spannungen zu abzubauen. Erdogan hat bereits angekündigt, dass er Barak nicht empfangen wird. Ob die Reise noch stattfindet, ist unklar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Filmförderungsgesetz beschlossen
Der Film ist gesichert, die Vielfalt nicht