Schweizer Konzern als Umweltsünder: Gesundheitsschäden sind der Lohn
Das Schweizer Unternehmen Glencore baut Kupfer in Sambia ab. Doch die Mine verpestet die Umwelt und macht die Arbeiter und ihre Familien krank.
MUFULIRA taz | Der kleine Ball fliegt in hohem Bogen durch die Luft. Die groben Nähte halten die graue Lumpenkugel zusammen, die Jungen rennen dem Fußball hinterher. Sie spielen auf dem roten Sandweg vor den schachbrettartig angeordneten Häusern in einer etwas heruntergekommenen Arbeitersiedlung. Die Gemeinde Butondo gehört zu der Stadt Mufulira im Norden Sambias, wo sich die Copperbelt-Provinz, das größte Kupferabbaugebiet Afrikas, befindet.
Hinter dem Spielplatz der Kinder ragt ein großer grauer Hügel aus kiesartigem Gestein wie ein Meer von Hochhäusern am Gemeinderand empor. Er ist mit grünen Plastikplanen bedeckt. Sie sollen den gesundheitlichen Schaden begrenzen, den der Wind transportiert: Bläst er in Richtung Butondos, nimmt er eine gehörige Portion Schwefelsäure vom Hügel mit und treibt sie den Anwohnern in die Augen, Lungen und unter die Haut.
Der Berg ist ungesund, sagen die Dörfler. „Er macht unsere Leute krank.“ Aber bringt enormen Profit für das Schweizer Bergbauunternehmen Glencore. Der Konzern hat die Mopani-Mine in Mufulira 2001 dem Staat Sambia abgekauft und sich mittlerweile 73 Prozent der Anteile an einer der größten Minengesellschaften Sambias gesichert. Die Mopani-Mine gewinnt wertvolles Kupfermetall, das bei Aufsprühen von Säure dem Erzgestein entzogen wird.
Die Mopani-Mine mit vier Bergwerken in Mufulira produziert über 200.000 Tonnen Kupfer pro Jahr, sie gehört dem Schweizer Konzern Glencore. Im Jahr 2011 machte dieser Gewinne in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar. Trotz hoher Kupferpreise hat die Glencore-Tochter Mopani in den letzten Jahren nur Verluste ausgewiesen und deshalb keine Gewinnsteuern bezahlt.
Die sambische NGO „Centre for Trade Policy und Development“ veröffentlichte 2009 einen ihr zugespielten Steuerbericht der Firma. Daraus ging hervor, dass Mopani das „rote Gold“ unter Marktwert verkaufte – an den Mutterkonzern in Bern. Der verkaufte den Rohstoff zu hohen Preisen weiter. Der sambische Staat hat allein dadurch 1,5 Milliarden Dollar an Einnahmen verloren. Für Sambia, wo zwei Drittel der Menschen in Armut leben, bleibt aus dem Kupferabbau auch zehn Jahre nach der Privatisierung der Bergwerke nicht viel übrig. (msi)
Durch die offenen Fenster weht eine leichte Brise in das schlichte Haus der Familie Mwansa. Silas sitzt in einem schweren dunklen Sessel im Wohnzimmer und wartet auf Schichtbeginn. Der 39-Jährige arbeitet seit acht Jahren im Mopani-Werk. Wenn er untertage fährt, bekommt er Panikattacken. „Ich kriege nur schwer Luft“, sagt er mit schleppender Stimme. Seit einem Jahr hat er Asthma, „von der Säure“.
Nasenbluten, Atemnot und Kopfschmerzen
Seine Frau Fiona sitzt mit besorgtem Blick neben ihm. Auch ihre drei Kinder klagen über Nasenbluten, Atemnot und Kopfschmerzen. Die 32-jährige zierliche Frau greift ins Wandregal, in dem viele Schachteln stecken. Medikamente, Atemmasken. Der zweieinhalbjährige Fabulous blickt zur Seite, seine Mutter streicht ihm über den Kopf. „Er braucht oft eine. Besonders nachts, wenn er aufwacht und keine Luft bekommt.“ Der sechsjährige Fedlan fasst sich an die Stirn. „Da tut es weh“, sagt er.
Auch sein großer Bruder Fortune leidet unter schweren Asthma-Anfällen. „Nachher stirbt noch eins meiner Kinder“, fürchtet Fiona. Es gibt keine Ambulanz, die nachts die Patienten in ein Krankenhaus fahren kann, wenn die örtliche Klinik schon geschlossen hat.
Silas ist schweigsam. Die Bedingungen im Schacht sind nicht gut, der Lohn ist karg. 3,5 Millionen Kwacha erhält er – rund 600 US-Dollar im Monat. Überstunden werden selten bezahlt. Silas muss wie viele Arbeiter in der Siedlung eine große Familie ernähren, insgesamt acht Verwandte. Hinzu kommt noch das Schulgeld. Die Firma zahlt nur seine Arztkosten. Protestieren will er nicht. „Ich fürchte um meinen Job.“ Die Angst geht um in Butondo. „Wir wollen saubere Luft atmen und uns sicher fühlen“, sagt Fiona bestimmt. „Sogar das Gemüse im Garten geht ein – der Boden ist sauer.“
Im Hof sitzt Fionas Großmutter unter einem Baum. Sie überwacht, wie Fiona ihren kleinen Sohn in einer Plastikschüssel im Garten badet. „Unser Wasser ist oft sauer. Es kommt aus der Erde“, erklärt die Nachbarin und zeigt auf ein schlammiges Loch. Die Palmenblätter biegen sich leicht im Wind, der vom Hügel kommt. Der liegt wie ein bedrohlicher Schatten am Horizont. „Unser Leben ist eine Selbstmordmission“, sagt die Nachbarin aufgebracht. Dann geht sie mit Fiona und Fionas Mutter zum Treffen der Gemeindevertreter.
Warten auf den Report
„Wir wollen umgesiedelt werden“, fordert Fionas Mutter unterwegs. Sie trägt eine schwarze Lockenperücke und hat das gleiche Lächeln wie ihre Mutter und ihre Tochter. „Sie bringen uns langsam um, von innen heraus“, sagt sie. „Aber wir geben nicht auf, wir kennen unsere Rechte.“ Die in Kitwe ansässige Umweltorganisation Citizens For A Better Environment (CBE) hat die Menschen von Butondo über die Gesundheitsschäden des sauren Regens aufgeklärt. Von terre des hommes finanziell unterstützt, arbeitet CBE seit 2007 mit der Gemeinde zusammen.
„Wir haben nicht nur Nasenbluten und Hautausschläge, sondern verlieren auch unsere Zähne“, sagt eine Frau in der Versammlung und zeigt in ihren Mund. Zwölf Menschen sind zusammengekommen, sie sprechen für die Gemeinde. Die Frauen auf einer Seite des Wohnzimmers, die Männer auf der anderen. Die rundliche Hausherrin stellt Plätzchen auf den Tisch und nickt auffordernd.
Newton Chansa führt meist das Wort: „Der Reichtum, den die Bergwerke gewinnen, ist unser Reichtum.“ Die Menschen in Butondo warten ungeduldig auf die Ergebnisse eines von der Regierung in Auftrag gegebenen Gesundheitsberichts. „Darin wird alles bestätigt, das ist die Basis zum Handeln“, sagt Chansa und wedelt mit einem braunen Umschlag durch die Luft. Er enthält eine Einladung für den Leiter des Gesundheitsamts zum Gespräch am nächsten Tag.
Chansa hat sein weißes Hemd geöffnet, es ist heiß im Raum. Er ist Vorsitzender der Regierungspartei im Ort, ein charismatischer Typ. Seine freundliche Stimme wird fordernd: „Entweder die Mine schließt, oder wir gehen.“ Doch wohin? Der Ort lebt von den Arbeitsplätzen im Bergwerk.
Dürftiger Schutz
Die Einwohner von Butondo haben in der Vergangenheit schon mehrfach gegen die hohe Luftverschmutzung demonstriert. Die staatliche Umweltbehörde Zema (Zambia Environmental Management Agency) schaltete sich daraufhin im März 2012 ein. Untersuchungen bestätigten SO2-Ausstöße, die weit über den internationalen Grenzwerten lagen. Sogar Sambias neuer Vizepräsident Guy Scott kam zur Inspektion.
Aber nachdem das Werk einige Auflagen erfüllt hatte, durfte es Ende April die Arbeit wieder aufnehmen. Seither deckt die Plane einen Teil des Hügels ab. Und die Säure wird nur noch getröpfelt, nicht gesprüht. „Weht der Wind stärker zu uns, wird die Anlage auf dieser Hügelseite abgeschaltet“, berichtet Chansa. Schnell wachsende Bäume seien entlang des Werkszaunes gepflanzt worden. „Das alles reicht aber nicht als Schutz für 10.000 Einwohner“, ruft er empört in die Versammlung.
Immerhin nimmt Francis Imasiku, Gesundheits- und Umweltsprecher der Mopani-Mine, das Telefon ab. Er darf aber nichts aus Unternehmensperspektive sagen. Laut Untersuchungen der sambischen Umweltbehörde 2011 ist der Langzeitrichtwert für Schwefeldioxid in Mufulira um 100 Prozent überschritten. Glencore bezeichnete damals die Vorwürfe der Gesundheitsschäden als nicht fundiert. Die sambische Umweltbehörde hat nun dem Großkonzern eine Frist bis zum Jahr 2015 gesetzt, um die Kupferhütte zu sanieren. Glencore behauptet, mit Neuinvestitionen langfristig 97 Prozent aller Emissionen zu verhindern.
In der nahen Bergbaustadt Kitwe trifft Chansa auf seinen Kontaktmann in Sachen Umweltschutz: Peter Sinkamba, Leiter der Umweltorganisation CBE, sitzt dort in einem kleinen Büro. Infomaterial und Untersuchungsberichte kommen frisch aus der Druckmaschine, die Telefone klingeln, das Faxgerät ist in Arbeit. An den Wänden kleben Fotos wie auf einer riesigen Pinnwand nebeneinander. Sie zeigen die Umweltsünden des Bergbaus im Kupfergürtel. Verschmutzte Wasserläufe, schwarzer Rauch aus Schornsteinen, brennende Müllhalden. Peter Sinkamba grinst gelassen: „Wir haben viel zu tun in Sambia.“
Mehr Druck auf die Konzerne
Sambias einseitige Abhängigkeit vom Kupferbergbau hat zu schwerwiegenden Umweltproblemen geführt. So werden beim Raffinieren der Kupfererze der Minen im Norden des Landes große Mengen an Arsen und Kohlendioxid frei. Viele Bergbaubesitzer exportierten Kupfer im Wert von Milliarden Euro, haben aber bisher kaum Steuern gezahlt. Glencore ist da kein Einzelfall, aber einer der größten Verschmutzer.
Der neue sambische Präsident Michael Sata hatte versprochen, das zu ändern. Er ist seit einem Jahr im Amt. Sata hätte schon Druck auf Glencore und andere Konzerne ausgeübt, meint der CBE-Leiter. Die Konzernleitung habe Auflagen bekommen. Zu wenig sei aber getan worden, um die Menschen zu schützen. „Die Politiker in Sambia meinen es mit dem Umweltschutz nicht ernst“, sagt Peter Sinkamba. Im Haushalt stünden weniger als ein Prozent Mittel dafür bereit. Sinkamba setzt – wie die Einwohner von Butondo – auf den Gesundheitsreport: „Darin muss die Gegend zum Katastrophengebiet erklären werden.“
In Butondo sind die Stimmen leiser geworden. Die Einwohner sitzen in ihren Häusern. In Fionas Nachbarstraße spielen die Kinder nicht mehr – der lumpige Fußball ist mit den Jungen verschwunden. Die Mütter haben sie hereingeholt, denn der Wind hat sich gedreht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe