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Schweinsteigers großer AuftrittEtwas Besseres als ein Kaiser

Joachim Löws Team ist eine zukunftsverheißende Mischung aus Bayern und Dortmund. Und Schweinsteiger ist der Beckenbauer von heute.

Bastian Schweinstiger: Räume sehen, Räume nutzen. Und alles ohne „Mia-san-mia“-Folklore. Bild: dapd

Es gibt offenbar Menschen, denen bei den zwei EM-Siegen der deutschen Nationalmannschaft noch die ästhetische Dimension fehlt. Ja, dann sollen sie halt dem Bundestrainer zusehen, wie er am Spielfeldrand tanzt. Und sich dann fragen: Warum tanzt der Junge? Er tanzt, weil Deutschland beim 2:1 über die Niederlande schon so ziemlich genau das spielte, was Joachim Löw in den letzten Jahren erarbeitet hat.

Ja, aber, geht es nicht noch etwas spektakulärer? Es hängt vom Gegner ab. Das Spektakel der WM 2010 ergab sich aus der Dysfunktionalität eines Gegners wie Argentinien oder einer nicht planbaren Spielentwicklung wie gegen England.

Sicher waren auch die Niederländer ein dysfunktionales Team, aber eben trotzdem nicht so einfach mal durch Umschaltspiel auszukontern.

Auch wenn in Charkow seine internationale Karriere zu Ende gegangen sein dürfte, muss man den zur Halbzeit auswechselten Kapitän Mark van Bommel jetzt nicht als unfähig oder altersschwach diskreditieren – das werden die Niederländer selbst übernehmen. Aber der Unterschied zwischen ihm und Bastian Schweinsteiger in der Interpretation und in der Ausführung des Sechser-Jobs war schon spielentscheidend.

Es ist sicher kein Zufall, dass Interviews mit Schweinsteiger nach Spielende mittlerweile hochspannend geworden sind, weil er im Gegensatz zu manchen Kollegen – tatsächlich inhaltlich und sachlich über das Spiel spricht. Und zwar egal, wie polemisch die Frage ist. „Heute hatte ich einfach mehr Räume in der Offensive und die habe ich auch genutzt“, sagte er in Charkow.

Kleiner Satz, große Bedeutung. Es ist zum einen ein Hinweis darauf, dass die Portugiesen diese Räume im Auftaktspiel nicht boten und mithin sorgfältiger verteidigten. Zum anderen zeigt es, dass Schweinsteiger (und damit Löw) den Sechser-Job umfassender versteht als van Bommel und auch Nigel de Jong (und damit der niederländische Trainer Bert van Marwijk), die diese Räume erst gar nicht suchen. Nur weil es die Räume gab und Schweinsteiger sie kompetent besetzte, konnte Mario Gomez seine beiden Treffer erzielen, wobei beide Vorlagen von Schweinsteiger kamen.

Letztlich wird man sich in den Niederlanden bei einem Ausscheiden vermutlich darauf verständigen, dass van Marwijk das einstige Kreativprojekt durch einen unzeitgemäßen Stilwechsel totdeutschisiert hat. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die Niederlande waren tatsächlich „defensiv nicht gut genug“, wie der Trainer sagte. Als Verbund und speziell wegen einer, höflich formuliert, mediokren Abwehr. Durch die geringen Möglichkeiten ihrer Aufbauspieler fehlten ihnen aber eben auch strategische Mittel für die Offensive jenseits des individuellen Potenzials.

Dass jenes verschüttet blieb, lag vor allem auch daran, dass Schweinsteiger und sein Sechserkollege Sami Khedira mit Wesley Sneijder den entscheidenden Zulieferer aus dem Spiel nahmen, und zwar viel besser, als das den Dänen gelungen war.

„Unglaublich stark“, fand Löw die beiden, und das war kaum übertrieben. Speziell Schweinsteiger bekomme „eine immer größere Präsenz“. Nun fällt im Zusammenhang mit dem ersten Treffer zunächst selbstverständlich die Pirouette von Gomez ins Auge.

Doch was die Ästhetik von heute auf ihren Punkt bringt, ist der Innenseitenpass von Schweinsteiger. Auch im Abgleich mit Franz Beckenbauers Außenristpässen, die ja als Inbegriff der Fußballkunst gelten. Sah wunderschön aus, doch Beckenbauer tarnte damit in den Siebzigern seine eisenharte Pragmatik. Schweinsteigers Pass sieht pragmatisch aus, ist aber das perfekte Kunsthandwerk auf der Höhe der Zeit.

So kann man im übrigen auch Mario Gomez verstehen, der selbstverständlich die öffentlichen Gedanken über Fußball und ihre Abbildung in Medien auch in den nächsten Tagen dominieren wird. Weil er das Irrationale des Fußballs symbolisiert. Fälschlicherweise.

In Wahrheit ist auch er ein Kunsthandwerker, dessen Job in Löws flachhierarchischem Team der letzte Ball ist. Den vorletzten kann er nicht, wie man auch gegen Holland sah. Und wenn das zwingend verlangt wird, spielt Miro Klose. Aber das, was er kann, das kann Gomez, und darin ist er seit zwei Jahren Weltklasse.

Es wird immer klarer, dass Löws Deutschland – der Begriff meint selbstverständlich das Fußballteam – eine zukunftsweisende Mischung aus Dortmund und Bayern ohne Stars ist. Auch wenn derzeit nur Mats Hummels vom BVB spielt – das sehr intensive Laufen, Arbeiten und Umschalten, das Flachhierarchische und der Teamspirit ist Dortmund.

Im Grunde die ganze Basis. Und es zeigt sich, dass sich in dieser Art Fußball eben gerade auch die modernen Bayern-Profis Manuel Neuer, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger besser ausdrücken können als in einem inhaltsfreien „Mia san mia“.

Ohne Arjen Robben verhöhnen zu wollen, besteht derzeit der positive Unterschied zum FC Bayern darin, dass weder er noch Franck Ribery bei uns spielen.

Deutschland ist nicht abhängig von einem Star. Deutschland macht Stars. Selbst der gute, alte Poldi arbeitet auf der linken Defensivseite, dass einem die Tränen in die Augen steigen. Vor Rührung.

Es scheint alles fast zu schön, um wahr zu sein.

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8 Kommentare

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  • A
    Anders

    Bundesfutzi Löw wird sich mit seinem taktischen gehabe noch selbst schlagen. Der Krüppel Schweinsteiger (hat sich nicht erholt nach der Verletzung, die von Niedermeier im DFB-Pokal zugefügt worden war) sollte für weitere Spiele auf der Ersatzbank platznehmen.

     

    Man muss kein großer analytiker sein, um zu sehen, dass Schweinsteigers Agieren im Spiel Deutschland-Griechenland katastrophal war. In der ARD-Kritik (Videotext Seite 807) steht zu Schweinsteigers Spielweise "Großes Laufpensum, aber auch viele leichte Ballverluste". Zu sogenanntem "großen Laufpensum" ist anzumerken, Schweinsteiger lief meistens falsch, stand die ganze zeit auf der linie von Kedira oder Özil oder eines anderen deutschen Spielers. Einer der "leichten Ballverluste" war unter vielen anderen schwerwiegenden Verlusten wie der gefährliche Pass auf Schürle (keine Schuld von Schürle), der abgefangen wurde und zum Ausgleichstor führte.

     

    Der bayerische Block insgesamt hat seine zweitklassigkeit im Nationalteam (im Vergleich zu BVB in der Bundesliga selbstverständlich) zementiert. Kroos (für mich der einzige Spieler aus FCB, der im Team als moderner Team-player funktioniert) , Gündogan wären jedenfalls besser für das offensivspiel geeignet. Außer Lahm müsste man alle Bayernspieler ersetzen, denn für den Titel reicht es bei dieser Mannschaftsaufstellung nicht.

     

    Aber wahrscheinlich hat Uli H. dass vertraglich geregelt, dass sein bayerischer Block bis in alle Ewigkeit Stammplatzgarantie im Nationalteam hat.

  • B
    Bernardo

    und nochmal : ihr habt ja einen richtig kompetenten sportjournalisten ! sowohl das portugalspiel als auch das gegen holland sehr gut analysiert und auf den punkt gebracht.freue mich auf die nächsten artikel von herrn unfried, ganz im gegensatz zu der laberei des chefs, herrn yücel.

  • RA
    ralf ansorge

    nur mal als frage an die taz:

    warum vergeht zwischen eingabe und erscheinen eines beitrags bei euch soviel zeit.bei 11 freunde dauert es sekunden,bei euch stunden.man könnte viel spontaner mit anderen foristen diskutieren

  • T
    Towanda

    Schweinsteiger war gut, aber überragend fand ich ihn nicht. Ja, die Deutschen haben gewonnen und gut gespielt, aber man sollte auch die Kirche im Dorf lassen. Ich habe schon bessere Spiele gesehen.

  • YB
    Yukon Bernie

    Kann mich Ralf Ansorge nur anschliessen - ihr habt ja richtig gute Sportjournalisten. Der Artikel war eine Freude zu lesen. Genau das ist es, was erfolgreichen Fussball heute ausmacht. Klar ist das nicht immer der schoenste Fussball, aber immerhin Lichtjahre vom "Rumpelfussball" der 80iger entfernt, bei dem es wahrlich keine Freude war zuzuschauen!

     

    Mal schauen wie weit es die deutsche Mannschaft bei dieser EM schafft, ich wuensch ihr, dass sie mal wieder den richtig grossen Wurf landet - das Ruestzeug dazu hat sie!!!

  • U
    ulyssess

    podolski war nicht gut. hat sich zu oft ausgeruht.

    hoffentlich bringt löw bald mal schürrle und reus

  • G
    georg

    Blödsinn

  • RA
    ralf ansorge

    ihr habt ja richtig gute sportjournalisten.... freue mich schon auf die foristen,denen dieser artikeleher weniger gefällt