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Schweinegrippe im PutenstallErstmals Vögel infiziert

In Chile ist das neue Grippevirus jetzt in Vögeln nachgewiesen worden. Bisher infizierten sich nur Menschen und Schweine. Geflügelfarmen könnten Infektionsquelle werden.

Jetzt gibt es den Schweinegrippevirus auch bei Puten. Bild: ap

BERLIN taz | Das Schweinegrippevirus A/H1N1 ist jetzt erstmals auch bei Geflügel nachgewiesen worden. Die chilenische Landwirtschaftsbehörde SAG gab am Donnerstag bekannt, dass auf zwei Farmen nahe der Hafenstadt Valparaíso, etwa 120 Kilometer westlich der Hauptstadt Santiago, Puten mit dem neuen Influenzavirus H1N1 infiziert waren. Bisher war das H1N1-Virus nur in Schweinen und Menschen gefunden worden. Befürchtet wird vor allem, dass das Virus, das bei Menschen bisher in der Regel nur eine mild verlaufende Grippe auslöst, durch Vermischung mit anderen Viren gefährlicher wird. Das Virus war im März zum ersten Mal in Mexiko und Kalifornien aufgetaucht. Mittlerweile hat es sich weltweit auf rund 180 Länder ausgebreitet.

Das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) auf der Ostseeinsel Riems ist noch sehr zurückhaltend bei der Frage, ob die Infektionen auf den chilenischen Farmen zu einer Änderung der Risikoeinschätzung führen werden. "Wir kennen bisher auch nur die kurze Agenturmeldung", erklärt die FLI-Sprecherin Elke Reinking. Eine offizielle Mitteilung liege noch nicht vor.

So sei bisher nicht bekannt, wie sicher der Befund ist, dass es sich tatsächlich um das neue Grippevirus A/H1N1 handele, sagt auch Professor Klaus Osterrieder vom Fachbereich Veterinärmedizin der FU Berlin. Man wisse zum Beispiel nicht, wo die Puten sich angesteckt haben könnten. "Waren dort etwa Schweine in der Nähe?", fragt der Virologe.

Im Unterschied zu Europa oder Asien ist das neue Grippevirus auf dem amerikanischen Kontinent auch in Schweinen zu finden. Vermutet wird sogar, dass das Virus ursprünglich mal vom Schwein auf den Menschen übergesprungen ist. "Wir haben noch das Glück, dass unsere Schweine frei von dem Virus sind", sagt FLI-Sprecherin Reinking. Die Virologen befürchten jedoch, dass sich dies schnell ändern kann.

"Ein Problem ist, dass man den Schweinen häufig nicht ansieht, dass sie mit Grippeviren infiziert sind", sagt Reinking. Die Tiere könnten so ein Infektionsherd sein, ohne dass es bemerkt wird. "Bei den Bundesländern werde daher auch derzeit überlegt, ob für die Schweinebestände ein Grippemonitoring eingeführt werden soll", berichtet Reinking.

Das Gleiche würde auch für Geflügel gelten, wenn das neue Grippevirus dort Fuß fassen könnte. "Bei der Vogelgrippe haben wir gesehen, was passiert, wenn ein Virus sich in den Tierbeständen etabliert", so Reinking. "Das sollte diesmal verhindert werden."

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4 Kommentare

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  • N
    Nachdenker

    Warum schreiben Sie nicht einmal davon, daß bei der jährlichen "normalen" Grippe, die wir seit Jahrzehnten kennen, mehr Menschen sterben, als bei dieser künstlich hochgeputschten "Schweinegrippe" bisher zusammen?!? Und wem nutzt der millionenfach verkaufte Impfschutz wirklich was? Doch nur der Pharmaindustrie (Profit), dem Staat (Ablenkung von tatsächlichen Problemen,Beteiligen von Pharma-Lobbyisten unter den Politikern) und der WHO, die mal wieder das Wort Pandemie in den "Mund" nehmen will, um auf sich aufmerksam zu machen. Die wahre "Schweinegrippe" bzw. Schweinerei ist der Umgang der Medien mit dem Thema - es wird solange publiziert, bis der letzte an dieses böse, böse Virus glaubt. Fatal.

    1984 ist doch schon überall.

  • G
    Gallus-Gallus

    Zitat, zu finden auf HP des FLI:

     

    "Influenza ist in deutschen Schweinebeständen weit verbreitet. In über 92 Prozent der Schweinebestände können Antikörper gegen mindestens einen der untersuchten Influenza-Subtypen (H1N1, H1N2, H3N2) nachgewiesen werden, wobei häufig auch Infektionen mit mehreren Influenza-Subtypen vorkommen."

     

    Schweinebestände in Deutschland und hoffentlich Europa sind zwar frei von der Linie H1N1 Mexiko, jedoch nicht von den oben genannten Subtypen.

    Für die Massentierhaltung, bedeutet dies, außer den Leistungseinbusen während der Krankheitsphase, eigentlich weiter nichts.

    In der Geflügelzucht wird dagegen großzügig umsich gekeult, selbst bei gering pathogenen Suptypen (LPAI), selbst bei Subtypen, die lediglich an die Spezis Vogel angepaßt sind.

    Die Frage, warum bei Geflügel so verfahren und bei Schweinen eher nicht, kann wohl hier niemand beantworten. Jedoch eines ist einleuchtend, umso größer Bestände werden und umso größer die Bestandsdichte in einer Region ist, desto mehr Viren werden ausgeschieden, da die Viren mehr als genügend Wirte zur Verfügung haben.

    Zum Nachdenken:

    Im humanen Grippeimpfstoff wird seit Jahren H1N1 und H3N2 in Form unterschiedlicher Stämme verwendet.

  • KU
    Karin Ulich, Tierärztin

    Nein, das ist kein Vogel-Problem, wie die Überschrift vermuten lässt. Es ist wie so oft eine völlig natürliche Folge der Industriellen Massentierhaltung. In diesem Falle hat es statt Schweine eben mal wieder Puten erwischt. Seuchen aller Art, ob sie nun von Viren, Bakterien oder Einzellern hervorgerufen werden, haben ihre Brutkammern in diesen mit siechenden Tieren vollgestopften dunklen, stickigen Megaställen. Wo sich Zehntausende leidende, verletzte, gestresste Tiere förmlich auf den Füßen stehen (wenn sie überhaupt noch aufstehen können) sind Infektionskrankheiten nicht weit - und sie verbreiten sich blitzschnell von einem Tier auf das nächste. Auch die so genannnten Lebensmittelvergifter, wie z.B. Salmonellen oder Campylobakter, sind eine Folge der Tierfabriken, mit der Tendenz, resistent gegen Antibiotika zu werden, da diese massenweise bei der Tiermast eingesetzt werden. der einzige Ausweg wäre die artgerechte Tierhaltung in kleinen Beständen mit Auslaufmöglichkeit, nicht die Entwicklung zu immer noch größeren Tierfabriken, zu denen unsere Regierung leider mit Nachdruck den Weg ebnet.

  • EP
    Elisabeth Petras

    Es ist wichtig zu ergänzen, dass diese "Vögel" Mastputen auf Mastgeflügelfarmen, waren. Schon bei der "Vogelgrippe" versuchte man, Wildvögeln die Schuld in die nicht vorhandenen Schuhe zu schieben, obgleich auch dort vor allem die industriele Geflügelmast betroffen war und sich Wildvögel nur relativ selten ansteckten und in keinem einzigen Fall eine Übertragung durch Wildvögel nachgewiesen werden konnte - aber sehr oft Handelsbeziehungen oder andere Vektoren aufgedeckt wurden. Aus der Empörung der Ornithologen heraus gründete sich das "Wissenschaftsforum Aviäre Influenza", das akribisch die Fälle analysierte und auch in Sachen Schweinegrippe recherchierte. Die Tatsache, dass jetzt auch Puten betroffen sind, zeigt, wie anfällig diese völlig überzüchteten, fast immer des Gewichtes wegen entzündeten Füßen und Herz-Kreislaufkrankheiten dahinvegetierenden Tiere sind. Auch bei uns leiden fast alle Schweine an Schweinegrippe oder haben Antikörper dagegen (92% lt. FLI), auch bei Geflügel sind diverse endemische Keime bekannt (siehe Bericht des ehem. Amtstierarztes Dr. Focke auf der HP des WAI). Das Massen-Mischgefäß Massentierhaltung ist wirklich eine Gefahr für die Entstehung immer neuer höher pathogener und resistenter Keime, da unter den Bedingungen von Enge, Stress und dadurch bedingtem schnellen Wirtswechsel das Mutationsrisiko ansteigt.