Schwedische Reaktionen auf Konvoi-Angriff: Mörder, Banditen und Verbrecher
In Schweden wird der Angriff Israels auf den Hilfskonvoi mit deutlichen Worten verurteilt. Dem Autor Henning Mankell soll inzwischen in Israel ein Gerichtsverfahren drohen.

STOCKHOLM taz | Dem schwedische Schriftsteller Henning Mankell droht wegen seiner Teilnahme am Gaza-Hilfskonvoi in Israel ein Gerichtsverfahren. Wie Anders Jörle, Sprecher des schwedischen Außenministeriums am Montagabend mitteilte, seien Mankell und vier anderen schwedische Prominente vor die Alternative gestellt worden, „ein Papier zu unterschreiben und dann deportiert zu werden, oder in Haft zu kommen und dann vor Gericht gestellt zu werden“.
Vier weitere schwedische MitbürgerInnen seien bereits in das Gefängnis von Beersheba gebracht worden. Gründe hierfür und weitere Einzelheiten könne man noch nicht mitteilen, da diplomatische Vertreter erst am Dienstag Gespräche mit den Betroffenen führen dürften.
Zuvor hatten norwegische Medien berichtet, Mankell sei verletzt worden. Laut Jörle offenbar eine Verwechslung. Ein anderer schwedischer Prominenter, der Künstler und Musiker Dror Feiler sei bei der israelischen Militäraktion im Gesicht verletzt worden.
Außer Mankell waren rund ein Dutzend weiterer SchwedInnen, darunter Vertreter von Hilfsorganisationen und ein Abgeordneter der Grünen an Bord des Konvois. Der Militäreinsatz Israels führte daher gerade in Schweden zu massiven Protesten. Außenminister Carl Bildt forderte eine „starke“ Reaktion der EU und einen unabhängigen internationalen Untersuchungsausschuss. Der Angriff auf die Schiffe in internationalen Gewässern sei ein Völkerrechtsverstoß. Selbst falls es zutreffend sein sollte, dass Gewalt oder Provokationen seitens einzelner Passagiere ausgeübt worden sein sollte, als die Schiffe von Hubschraubern aus geentert wurden, habe das israelische Militär mit „absolut nicht zu rechtfertigender Übergewalt“ reagiert. Bildt wiederholte auch seine Forderung nach einer umgehenden Beendigung der rechtswidrigen Gaza-Blockade durch Israel.
Schwedens konservativer Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt nannte das Vorgehen des israelischen Militärs „völlig inakzeptabel“. Ähnlich äußerten sich auch die Parteivorsitzenden der rot-grünen Oppositionsparteien. Peter Eriksson von den Grünen forderte „kräftige Gegenreaktionen unsererseits und seitens der ganzen EU“ und betonte: „Bei der Flotte mit den Hilfsschiffen handelte es sich um eine vollständig legitime Aktion.“ Die sozialdemokratische Parteivorsitzende Mona Sahlin forderte eine Suspendierung des Handelsabkommens zwischen der EU und Israel.
Linkspartei-Vorsitzender Lars Ohly erklärte: „Ist das Wort von Mördern angebracht, dann hier.“ Der außenpolitische Sprecher der Linkspartei Hans Linde sagte in einer schriftlichen Erklärung: „Israels Regierung schreibt sich mit Blut in die Geschichtsbücher ein als eines der schlimmsten Verbrechersysteme.“ Und auch die ersten Medienkommentare griffen zu harten Formulierungen. Hilfssendungen anzugreifen sei etwas, was man bisher „nur von Diktaturen oder Banditen gewohnt“ war, schreibt etwa das sozialdemokratische Aftonbladet, Schwedens auflagenstärkste Zeitung.
Am Montagabend hatten sich in Stockholm rund 5.000 und in zwei Dutzend anderen schwedischer Städte mehrere Tausend DemonstrationInnen zu Protesten gegen Israel und Solidaritätsbekundungen für Palästina versammelt. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, zum Gedenken an die Getöteten Kerzen in die Fenster zu stellen.
Bereits seit Montagvormittag hatte die schwedische Polizei die Botschaft Israels in Stockholm in Erwartung von Demonstrationen zusätzlich gesichert. Benny Dagan, Israels Botschafter in Schweden zeigte sich nach einem Termin, zu dem er ins Stockholmer Außenministerium zitiert worden war, von den Protesten gegen das israelische Vorgehen unberührt: „Wir haben das Recht zu allen Mitteln zu greifen, wenn unseren Befehlen nicht gefolgt wird.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
+++ Liveticker zur Kanzlerwahl +++
Friedrich Merz doch noch Kanzler
Diskussion um AfD-Verbot
10 Millionen WählerInnen lassen sich nicht wegzaubern
Israels Pläne für Gaza
Es hängt an Netanjahu
Neuer Umweltminister
Qualifikation? Egal
Fernwärme
Heizende doppelt benachteiligt
Bundeskanzler in spe
Friedrich und sein Naziopa