Schwedische Filesharer mucken auf: Piraten gegen Schnüffelparagraphen
Kaum ist das schwedische Überwachungsgesetz beschlossen, schon rüstet die Filesharing-Seite Pirate Bay auf: Um ihre Nutzer zu schützen, planen sie harte Verschlüsselung.
Die Betreiber der Datentausch-Website Pirate Bay wollen gegen das neue, scharfe schwedische Überwachungsgesetz vorgehen, das dem Militärgeheimdienst des Landes künftig breite Schnüffelrechte im Internet zugesteht. Die populäre Filesharing-Suchmaschine, über die sich auch reihenweise urheberrechtlich geschützte Inhalte auffinden lassen und die sich deshalb seit Jahren mit Vertretern der Musik- und Film-Industrie in Rechtsstreitigkeiten befindet, will mehrere technische Verfahren nutzen, um ihre Nutzer zu schützen.
Zwar befinden sich die Server von Pirate Bay laut Angaben der Betreiber nicht in Schweden, sondern sind längst aus Sicherheits- und Verfügbarkeitsgründen über den ganzen Globus verteilt. Dennoch sorge das Überwachungsgesetz dafür, das zumindest schwedische Nutzer künftig bei ihrer Nutzung des Dienstes belauscht werden könnten. Der Grund: Der Pirate Bay-Datenverkehr läuft derzeit unverschlüsselt und dem schwedischen Militärgeheimdienst FRA soll demnächst erlaubt werden, Abhörstationen an allen wichtigen Übergabepunkten zwischen Schweden und dem restlichen Internet zu postieren. Das Resultat: Surft ein Stockholmer Nutzer die Piraten-Website an, durchläuft die Anfrage auch den FRA-Lauschposten. Umgangen werden soll das, in dem Pirate Bay künftig mit Hilfe des Standardverschlüsselungsverfahrens SSL erreicht werden kann. Die auch im Online-Banking verwendete Technik gilt als sicher und ist sowohl im Browserprogramm als auch in Dateitausch-Software einsetzbar.
Wer diesem Verfahren nicht vertraut, soll noch eine weitere Möglichkeit erhalten, der Überwachung beim Dateitausch zu entgehen: Die Pirate Bay-Betreiber wollen auch so genannte virtuelle private Netzwerke (VPNs) anbieten, mit denen man sich verschlüsselt im Internet bewegen kann. Ein entsprechender Dienst wird von den Filesharing-Verfechtern für schwedische Bürger bereits gegen Zahlung einer Gebühr angeboten, dieser soll bald auch international verfügbar sein. "Wir werden den Leuten auf jede Art helfen, dieses Gesetz zu bekämpfen", sagte Pirate Bay-Mitgründer Peter Sunde.
Er forderte internationale Internet-Provider auf, Schweden künftig zu umgehen, weil das Land für Daten nicht mehr sicher sei. Alle Informationen, die hier unverschlüsselt durchgingen, könnten künftig vom Militärgeheimdienst nach Belieben abgehört werden. "Wir wollen, das Schweden vom Internet ausgeschlossen wird. Die Provider müssen Schweden blockieren, um die Integrität ihrer Kundendaten zu schützen." Alles, was künftig in schwedischen Netzwerken erfolge, werde mitgespeichert und durchsucht. Die Staatsführung in Stockholm sei zu einer "Stasi-Regierung" mutiert, schrieb Sunde in seinem Weblog und illustrierte den Eintrag mit einer tickenden Zeitbombe. Der Militärgeheimdienst habe extra vor zwei Jahren den fünftschnellsten Supercomputer der Welt bestellt, um die Überwachungsmaßnahmen technisch durchführen zu können. "Es riecht für mich schon ein bisschen merkwürdig, dass diese Leute so viel Vertrauen darin hatten, dass sich ein solches System bald einsetzen lassen würde, ohne dass es überhaupt ein entsprechendes Gesetz gab."
Pirate Bay erfreut sich in den letzten Jahren nicht nur in Schweden großer Beliebtheit, weil sie des Nutzern erlauben, sich mit Filmen und Musik aus dem Internet zu versorgen. Dass das zumeist völlig illegal ist, ficht die Betreiber nicht an, schließlich stelle man keine Inhalte zur Verfügung sondern biete nur einen Suchdienst an. Rechtlich hat diese Strategie bislang funktioniert: Versuche der Hollywood-Organisation MPAA und des Plattenindustrieverbandes RIAA, auf Schweden Druck auszuüben, waren bislang weitgehend gescheitert. Inzwischen läuft allerdings ein Strafverfahren gegen Sunde und seine Mitstreiter, das von einem eifrigen Staatsanwalt geführt wird. Auch die Durchsetzung des äußerst umstrittenen Überwachungsgesetzes durch die konservative Stockholmer Regierung scheint dafür zu sprechen, dass sich der Wind in dem als sehr liberal geltenden Land gegen Internet-Aktivisten dreht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!