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Schwedens Kehrtwende bei AtomenergieNichts als Augenwischerei

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Die Ankündigung von Schwedens Regierung, neue AKWs zu bauen, muss man nicht ernst nehmen. Aktuell findet sich niemand, der ein Interesse daran hätte.

14 Jahre verspätete Fertigstellung und viermal teurer als geplant: das finnische AKW Olkiluoto Foto: Roni Lehti/imago

I n diesen Tagen flattern den SchwedInnen die Stromabrechnungen für Dezember ins Haus. Für manche wird das ein Schock werden. Viele Wohnungen und Einfamilienhäuser sind mit Elektroheizungen ausgestattet, und ihre BesitzerInnen müssen mit mehrfach höheren Kosten als vor einem Jahr rechnen. Nicht zufällig hat die Regierung in Stockholm deshalb in dieser Woche neue Strombeihilfen genehmigt, mit denen die Haushalte entlastet werden sollen.

Auch mit der Ankündigung, die Voraussetzungen zum Bau neuer Atomreaktoren zu schaffen, soll offenbar vor allem Handlungskraft demonstriert werden. Was die Regierung von Ulf Kristersson als Lösung für den Bedarf künftiger Energieversorgung präsentiert, ist indes reine Augenwischerei. Sollte es wirklich eine Mehrheit für die Pläne der Regierung geben, so ist weit und breit kein Energieunternehmen in Sicht, das das Risiko eingehen würde, einen künftigen AKW-Neubau auch nur zu planen.

Denn es kann keine Garantie dafür geben, dass derlei Pläne nicht schon nach der nächsten Wahl zur Makulatur werden. Gerade das Schicksal des letzten Abkommens, das alle Parteien mit Ausnahme der Schwedendemokraten 2016 stützten und das die jetzigen Regierungsparteien nach weniger als sieben Jahren wieder aufkündigen, dürfte Investoren abschrecken. Der staatliche Energieversorger Vattenfall jedenfalls macht aus seinem Desinteresse an neuen AKWs keinen Hehl.

Niemand könne das Unternehmen zwingen, in die unprofitable Atomstromproduktion zu investieren, betonte jüngst die Chefin des Unternehmens und kritisierte im selben Atemzug die Regierung, die die Realisierung von Plänen zum Ausbau von Offshore-Windkraft erschwere. Daran nämlich ist Vattenfall viel mehr interessiert.

Schließlich schreckt auch das Beispiel des letzten skandinavischen AKW-Neubaus. Die Planungen für den dritten Reaktor des finnischen AKWs Olkiluoto begannen vor zwei Jahrzehnten. Um 14 Jahre verspätet und viermal teurer als geplant soll er nach den letzten Ankündigungen nun im Februar ans Netz gehen. Aber Schweden braucht jetzt neue Stromquellen. Nicht erst 2037.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.

7 Kommentare

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  • Der (Un)wille der Energieversorger ist ein schwaches Argument, denn die Interessen der Energieversorger sind andere als die des Staates und der Bevölkerung.



    Einen Windparkbetreiber z.B. interessiert die Versorgungssicherheit überhaupt nicht. Wenn kein Wind weht dann liefert er halt nichts, Hauptsache er bekommt sein Geld solange Wind weht und auch falls er abregeln muss. Ob die Energiepreise sozial verträglich sind ist ihm auch egal, Hauptsache der Profit stimmt insgesamt.



    Um Versorgungssicherheit und Energiekosten muss sich der Staat selbst kümmern, oft natürlich gegen die reinen Profitinteressen der Energiewirtschaft. Atomenergie wurde meist vom Staat den Energieunternehmen aufgedrängt.

  • Natürlich werden die Schweden versuchen das umzusetzen, was sie angekündigt haben. Alles andere ist nur reines Wunschdenken des Autors hier.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Einfach mal nachschauen was an AKW-Projekten in den letzten Jahrzehnten so alles angekündigt wurde und was davon letztlich realisiert wurde. Schon allein aus der statistischen Erfahrung heraus sollte man solche Verlautbarungen nicht übermäßig ernst nehmen. Polen verkündet etwa seit Jahrzehnten immer wieder Reaktorpläne, bislang ohne sie umzusetzen, hierzulande wurden etwa von 12 angekündigten Reaktoren der Konvoi-Baureihe drei auch realisiert und das zu einer Zeit in der Atomausstieg eher ein Thema randständiger Ökos war und Konzerne noch auf gute Gewinne aus dem Strahlendreck hoffen konnten.

      • @Ingo Bernable:

        Das war alles vor dem Ukraine-Krieg, der hat alles verändert.

        • @Herbert Eisenbeiß:

          War Schweden denn in annähernd ähnlichem Maße von russischen Energieimporten abhängig wie Deutschland? Und wurde der Bau von AKWs durch den Krieg schneller oder billiger?

          • @Ingo Bernable:

            Sie und Ihre Nebelkerzen, wirklich... es ist doch egal, wie hoch die Abhängigkeit war oder auch nicht.

            Entscheidend ist der politische Wille, und der ist in Schweden aktuell ganz klar: Abgrenzung zu Russland! Das kann man auch daran sehen, dass ja Schweden auf einmal in der NATO sein will.

            Von daher: die Schweden werden diese Reaktoren bauen, alles andere ist Wunschdenken.

            • @Herbert Eisenbeiß:

              "Entscheidend ist der politische Wille, und der ist in Schweden aktuell ganz klar"



              Ja, mindestens so klar wie der Wille der in den Ankündigungen der Bundesregierung zum Ausdruck kommt die 1,5°-Grenze einzuhalten, 400.000 Wohnungen p.a. zu bauen, ... Also klar, wenn die das ankündigen wird das auch gemacht.