Schweden will Klima-Führungsrolle: Vattenfall soll weniger qualmen

Schweden fordert von Vattenfall eine ökologische Vorreiterrolle. Doch der Staatskonzern setzt auf klimaschädliche Kohlekraftwerke. Jetzt regt sich Widerstand.

Mit Vattenfall ist ein schwedisches Staatsunternehmen für 40 Prozent mehr an Klimagasen verantwortlich als das ganze Land. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Vattenfall ist nicht nur das größte Unternehmen im Eigentum des schwedischen Staates, sondern auch das profitabelste. Und das fragwürdigste. Schweden will eine klimapolitische Führungsrolle spielen. Zugleich aber betreibt Vattenfall mit seiner Braunkohleverstromung einige der größten Kohlendioxid-Schleudern Europas. Und der Konzern besteht auf dem Bau des Hamburger Steinkohlekraftwerks Moorburg, mit dem seine CO2-Bilanz um jährlich weitere 8,5 Millionen Tonnen wachsen würde.

Wie passt das zusammen?, fragen jetzt Schwedens Grüne. In einer parlamentarischen Anfrage will ihr energiepolitischer Sprecher Per Bolund von der Regierung wissen, wie Vattenfall durch sein Agieren auf dem europäischen Energiemarkt "Schwedens Ruf in der Energiefrage zerstört". 2006 habe Vattenfall durch seine Stromproduktion in Polen und Deutschland 90 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Im gleichen Jahr beliefen sich die gesamten CO2-Emissionen Schwedens auf "nur" 65 Millionen Tonnen. Ein schwedisches Staatsunternehmen ist damit für 40 Prozent mehr an Klimagasen verantwortlich als das ganze Land.

Die Entwicklung, so Bolund, gehe auch noch in die falsche Richtung: In nur einem Jahr sei nämlich der Anteil der fossilen Energieträger an Vattenfalls gesamter Stromproduktion um 11 Prozent gestiegen. Und trotz der Klimadebatte investiere Vattenfall in erweiterten Braunkohleabbau und neue Fossilkraftwerke. Mit dem schwedischen Staat am Steuer.

Die damalige sozialdemokratische Regierung hatte dem Staatskonzern vor drei Jahren eine neue Unternehmensdirektive verpasst, nach der Vattenfall das "leitende Unternehmen bei der Umstellung auf eine ökologisch und ökonomisch tragfähige Energieversorgung" werden solle. Dem Konzern war aufgegeben worden, "an vorderster Front zu liegen, was verminderte Umweltbelastungen, effektive Prozesse und erneuerbare Energie angeht". Jedenfalls bei seinen Auslandsaktivitäten lässt sich der Konzern von dieser Direktive wenig stören. Die hat nämlich ein Hintertürchen: "Im Rahmen von Rentabilitätsgesichtspunkten" müsse sich das Ganze bewegen. Und aller Klimaschutzbeteuerungen zum Trotz scheint Stockholm offenbar in erster Linie daran interessiert zu sein, dass der Staatskonzern mit seinen Gewinnen Cash in die Staatskasse bringt. Umgerechnet rund 2,5 Milliarden Euro waren es im vergangenen Jahr.

Solange die Regierung nicht bereit sei, auch die außerschwedischen Aktivitäten von Vattenfall unter ökologischen Gesichtspunkten zu steuern, kann sie ihre Appelle nach internationalen klimapolitischen Kraftanstrengungen vergessen, meinen die Grünen, deren jetziger parlamentarischer Vorstoß zeitgerecht zur Vattenfall-Jahreshauptversammlung am 29. April kommt. Da könne der Staat als alleiniger Aktionär nämlich gleich seiner Verantwortung als Eigentümer gerecht werden.

Die Forderungen: Die Regierung solle von Vattenfall einen Plan zur vollständigen Abwicklung aller Fossilstromaktivitäten verlangen. Und dem Konzern deutliche Ziele für eine jährliche Reduktion der CO2-Emissionen seiner Kraftwerke in Deutschland und Polen auferlegen.

REINHARD WOLFF

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