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„Schwarzwasser“ am Berliner EnsembleÜberzeugende toxische Männlichkeit

Am BE inszeniert Christina Tscharyski „Schwarzwasser“ von Elfriede Jelinek. Doch die Aufführung verwischt die sprachliche Schärfe des Textes.

Szene aus „Schwarzwasser“ von Elfriede Jelinek mit Claude De Demo, Bettina Hoppe, Cynthia Micas Foto: Matthias Horn

Der Anfang ist vielversprechend. Drei Musikerinnen betreten gelassen die Bühne im Neuen Haus des Berliner Ensembles. Entschlossen streben sie ihrem Equipment zu. Ihre Aufmachung erinnert ein wenig an Pussy Riot. Um Politpunk wird es ja auch gehen. Virtuos greift Laura Landergott, bekannt aus Bands wie Ja, Panik und City at Dark, in die Saiten ihrer E-Gitarre.

Kühl perlen Worte aus dem Munde von Jessyca R. Hauser, einer Videokünstlerin und Performerin, die zuletzt in Florentina Holzingers Extremperformance „Tanz“ durch die teils verstörte Bühnenwelt tourte. Einen Neonpunk-Akzent setzen die fluoreszierenden Stöcke, mit denen Maya Postepski, die aus Kanada stammende Musikerin und DJane, ihr Drumset bearbeitet.

Über die Videowand in ihrem Rücken flimmern derweil Schlagzeilen und Fotos zu Ibiza-Gate. Auf der Fe­rien­insel hatte eine falsche Oligarchennichte aus Russland den späteren Vizekanzler Österreichs Heinz-Christian Strache ermuntert, sich Österreich mal ganz anders vorzustellen, mit gekaufter Presse, privatisierter Wasserwirtschaft und weiteren politmafiaartigen Sauereien. Strache machte in dem Video ganz den Eindruck, all das umsetzen zu wollen.

Das entlarvende Video wurde zwei Jahre später Medien zugespielt, weil einer der Initiatoren den Eindruck hatte, die Politik von Strache, mittlerweile Vizekanzler, ziele auf die Erfüllung der finsteren Videopläne ab – obwohl die Oligarchennichte ja eine falsche war.

Mittendrin in der Ibiza-Disko

Von der Aufmachung her erinnerten dann die drei Musikerinnen im BE an diesen Lockvogel. So konnte man sich mittendrin in einer Ibiza-Disko fühlen. Das Stroboskop-Licht, das durch den Raum blitzte, verstärkte diesen Eindruck.

Gut gesetzt war von der österreichische Regisseurin Christina Tscharyiski auch der erste Auftritt von weiteren vier Frauen auf der Bühne. Gekleidet in einen weißen Herrenanzug, darüber die rot-weiß-rote Schärpe österreichischer Würdenträger, enterten Claude De Demo, Bettina Hoppe, Cynthia Micas und Stefanie Reinsperger die Szene.

Sie setzten ein fieses Grinsen in ihre Gesichter, das überzeugend toxisch-männlich war. Gleich danach flachte der Abend aber ab. Beim chorischen Sprechgesang konnten sich die vier nicht auf einen gemeinsamen Atem einigen. Mal perlte die eine Stimme vor, mal zottelte die andere hinterher. Die Abweichungen waren minimal; sie störten dennoch.

Jelineks Wühlen in der Sprache

Jelineks Wühlen in der Sprache, dieses permanente Aufklappen immer neuer Bedeutungsfenster durch kleinste Verschiebungen – „Wir opfern alles, was uns nicht gehört“ ist eines dieser vielen glitzernden Juwele – wird zu einem Strom, der zwar gewaltig aus den Mündern quillt, der aber zu selten eine schlüssige Form erfährt.

Nur bei Reinsperger, der gebürtigen Wienerin, erhält die Sprache jenen grantelig-nörgelnden Unterton, der das Jelinek’sche Umdrehen von Worten und Sinneinheiten geradezu natürlich wirken lässt und über die gelegentlichen Kalauer hinaus auch ganz gefährlich witzig macht.

Ansonsten fühlt man sich wie in einer weiteren Präsentation von Produkten einer an Elfriede Jelinek trainierten Sprach-KI, die die Memes Ibiza, Strache, Korruption und Machtrausch verarbeitet und von professionellen Stimmen in die Welt gepustet wird.

Technische Mängel

Zur weiteren Irritation trägt die lange Verzögerung zwischen Livespiel und Videoprojektion des Livespiels bei. Zuweilen sind Ton und Lippenbewegung so weit von einander entfernt, dass der Eindruck entsteht, die Spielerinnen synchronisierten live die Szene der stummen Videokonserve. Das wäre noch ein schöner Effekt. Beim weiteren Einsatz der Kamera wird aber deutlich, dass der Delay technisch bedingt und nicht ästhetisch gesetzt ist.

All diese Mängel sind bedauerlich. Denn Jelineks Text über Politiker im Übertretungsrausch ist ja brandaktuell. So aktuell wie vor mehr als 100 Jahren wohl auch Alfred Jarrys Groteske um König Ubu. Diese Mehrgenerationen-Aktualität führt dann auch dazu, dass das Gift, das eigentlich in dem Text steckt, gar nicht mehr zu heftigen Immunabwehrreaktionen führt. Man guckt und sitzt und nickt.

Gelegentlich bleibt das Auge an jenem großen Bühnentier hängen, das mal Wolf, mal Hamster ist und über Ohren verfügt, die ganz neckisch an die Horcher des aktuellen Kanzlers Sebastian Kurz erinnern.

Stoisch wickeln derweil die Musikerinnen ihr Programm ab. Man wünscht ihnen mehr Platz, denn immerhin, sie halten souverän ihren Beat. Die teils malerischen Videoüberlagerungen (Video und Bühne: Dominique Wiesbauer) verschmelzen mit ihrem Sound, wie das bei gut gemachten Musikvideos auch geschehen soll. Und am liebsten lassen sich die Augen auf den tanzenden Neonsticks von Drummerin Postepski nieder. Viel Drumherum also für diesen minimalistischen Nebenreiz.

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