Schwarzgrün: CDU tut Grünen Gewalt an
Eine Koalition von Grünen und CDU, wie in Hamburg diskutiert, ist in Berlin nicht in Sicht. Die Unterschiede in der Integrations- und Innenpolitik sind gewaltig.
Die Chancen für die Bildung einer Jamaika-Koalition in Berlin stehen so schlecht wie nie seit der Abgeordnetenhauswahl vor eineinhalb Jahren. Insbesondere in der Innen- und Integrationspolitik offenbaren Grüne und CDU öffentlich schier unüberbrückbare Gegensätze. Während die Grünen bei Jugendkriminalität vor allem auf Gewaltprävention setzen, fordert die Union "abschreckende Sanktionen" und Heimeinweisung für 12- und 13-Jährige. Damit rückt die CDU von der Linie ihres Jamaika-freundlichen Fraktionschefs Friedbert Pflüger ab - ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da in Hamburg vor der Bürgerschaftswahl am Sonntag in beiden Parteien über eine schwarz-grüne Koalition gesprochen wird.
Im taz-Streitgespräch attackierte Unions-Generalsekretär Frank Henkel die Grünen als durchdrungen von "Kuschelpädagogik Alt-68er-Prägung". Die "vereinigte Linke" - also SPD, Linke und Grüne - hätten keine Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit der Jugendgewalt. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion forderte "abschreckende Sanktionen, die diesen Namen verdienen". Die Grünen müssten sich "in den Bereichen Sicherheit und Integration endlich der Realität annähern". Vorher sei eine Zusammenarbeit beider Parteien nicht möglich.
Mit Henkels Frontalangriff auf die Grünen wendet sich die Union demonstrativ von allen Versuchen ab, nach der nächsten Abgeordnetenhauswahl Ende 2011 erstmals eine schwarz-gelb-grüne Koalition zu schmieden. Insbesondere der als innenpolitisch liberal geltende Fraktionschef Friedbert Pflüger hat seit 2006 immer wieder darauf gesetzt, mit diesem Dreierbündnis Rot-Rot nach zehn Jahren von der Macht zu verdrängen.
Der innerparteilich angesehene Henkel attackiert seinen Fraktionschef sogar direkt. Anders als Pflüger habe er den offenen Brief von 17 Unionspolitikern, in denen diese sich vom Wahlkampf des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch distanzierten, nicht unterzeichnet. "Der Brief war nicht hilfreich", urteilt der rechte Innenpolitiker.
Henkels stramme Worte offenbaren, wie umstritten der aus Hannover eingewanderte Fraktionschef CDU-intern noch immer ist. Pflüger ließ sich 2006 in aussichtsloser Situation vor den Wahlkampfkarren der Hauptstadt-CDU spannen. Seither sind Pflügers Popularitätswerte ebenso wenig gestiegen wie die Umfragewerte seiner Partei. Erst ein Prestigeprojekt - das Volksbegehren zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof - hat sein Ansehen in der Partei gestärkt.
Auch die Grünen verlieren angesichts der rechten CDU-Vorstellungen zur Innenpolitik die Lust auf Jamaika. Bis eine Koalition möglich sei, würden noch 40 Jahre vergehen, sagte der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu.
streitgespräch SEITE 23
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!