Schwarze Konten: Die Steueraffäre erreicht Berlin
Steuerfahnder sind rund 20 Berlinern mit Liechtensteiner Konto auf der Spur. Insgesamt, schätzt Finanzsenator Sarrazin, entgehen der Hauptstadt jährlich insgesamt 700 Millionen Euro Steuern
Thilo Sarrazin, ansonsten für harte Sprüche zu haben, wägte seine Worte ab. Gegen "etwa 20 Berliner Bürger" werde ermittelt wegen des Verdachts, über das Fürstentum Liechtenstein Steuern zu hinterziehen, verkündete der Finanzsenator am Donnerstagabend. Seither gehen ständig Anrufe beim zuständigen Finanzamt für Fahndung und Strafsachen und bei Sarrazins Behörde ein. Damit erreicht die Steueraffäre die Hauptstadt. Vieles ist noch ungeklärt.
Unklar war am Freitag, um wie viel Geld es bei den Ermittlungsverfahren geht. Nur so viel: "Die Zahl der betroffenen Berliner kann sich noch erhöhen", sagte Sarrazins Sprecherin Kristina Tschenett. Auch der Leiter der Steuerfahndung in Berlin, Wolfgang Lübke, wehrte ab: "Mehr als das heute Bekannte preiszugeben verstieße gegen das Steuergeheimnis."
Dahinter steckt auch die Sorge, mögliche Fahndungserfolge zunichte zu machen. Berlin ist nur einer von vielen Schauplätzen der großen Steueraffäre um Konten im Zwergstaat. Auch beim Umgang mit den rund 20 Berliner Fällen hat die Bochumer Staatsanwaltschaft das Sagen. Zwar ist Berlins Steuerfahndung offiziell damit befasst, doch wann deren Steuerfahnder zu Überraschungsbesuchen bei Verdächtigen ausrücken, liegt in der Hand der Bochumer. Offiziell dürfen die Berliner Beamten nicht einmal bestätigen, dass der BND die Informationen über die Steuerhinterziehungen beschafft hat.
Sarrazin nutzte die Gelegenheit, die Arbeit der hiesigen Steuerfahnder als Erfolg darzustellen. Deren Zahl habe sich von 106 im Jahr 1999 auf heute 130 Personen erhöht. Die Fahnder hätten im vergangenen Jahr 1.700 Fälle abgeschlossen und seien in rund 1.000 Fällen aktiv geworden. 3.205 Steuerstrafverfahren habe es in Berlin 2007 gegeben, insgesamt 503 Fälle habe die Staatsanwaltschaft übernommen. Laut Finanzsenator hat Berlin neben den 30 Millionen Euro an nachgezahlten Steuern 2007 fünf weitere Euromillionen an Bußgeldern eingenommen. Dem steht jedoch eine ernüchternde Sarrazin-Schätzung entgegen: dass dem Land durch Steuerhinterziehung jährlich rund 700 Millionen Euro entgehen.
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