Schwarz-gelbe Widersprüche: Umweltminister mit Energieproblem
CO2-Emissionen mindern und klimabelastende Kohlekraftwerke bauen, Öko-Energien fördern und AKWs länger laufen lassen - das passt nicht zusammen, meinen Umweltschützer.
BERLIN taz | Donnerstag, es ist der Tag 1 von CDU-Politiker Norbert Röttgen im Amt als Umweltminister, als Ökoaktivisten fordern: Röttgen muss "zentrale Aussagen des Koalitionsvertrages in Frage stellen". Dieser sei gespickt mit "fundamentalen Widersprüchen", erklärte Rainer Baake, der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.
Widerspruch 1: Schwarz-Gelb verspricht die klimabelastenden Emissionen bis 2050 "um mindestens 80 Prozent" zu mindern. Zugleich erklären die Koalitionäre, "den Bau von hocheffizienten Kohlekraftwerken ermöglichen" zu wollen. Die blasen Treibhausgase in die Luft. Allerdings hatte sich der bisherige SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel auch schon für neue Kohlekraftwerke starkgemacht. Sie produzierten weniger Kohlendioxid als die alten, argumentierte er. Das 80-Prozent-Ziel sei so aber nicht zu machen, meint Baake. Einmal gebaut, blieben Kohlekraftwerke über 50 Jahre am Netz. In wenigen Jahren gebe es dann nur noch zwei Alternativen: "Klimaziel aufgeben oder Milliarden an investiertem Kapital vernichten" - und Kohlekraftwerke stilllegen.
Auch die Abscheidung und unterirdische Lagerung von CO2 sei keine Lösung. Diese Technologie wird derzeit erforscht. Unterirdische Hohlräume, sogenannte Kavernen, müssten für "prozessbedingte Emissionen" vorgehalten werden, erklärte Baake. In der Zement-, Chemie- und Stahlindustrie falle etwa ein Zehntel der gesamten deutschen Kohlendioxidemissionen an.
Die neue Regierung will auch "den Weg in das regenerative Zeitalter gehen". Und sie kündigt - das ist Widerspruch 2 - längere Laufzeiten für Atomkraftwerke an. Problem: Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz hat Strom aus Windkraft Vorrang. Union und FDP rütteln daran nicht. Wie viel Windstrom eingespeist wird, schwankt jedoch. Darum müsse es Kraftwerke geben, die bei Bedarf einspringen, so Baake - etwa Blockheizkraftwerke. Atomkraftwerke ließen sich nicht einfach an- und ausschalten.
Jeder Tag, den ein abgeschriebenes Atomkraftwerk länger läuft, bringt den Energiekonzernen 1 Million Euro extra. Union und FDP machten den "vier marktbeherrschenden Stromkonzernen mit verlängerten Laufzeiten zweistellige Milliardengeschenke", kritisierte Baake. Sie "zementierten deren Übermacht". Dabei verspreche die Koalition die "wettbewerbsrechtlichen Strukturen auf den Energiemärkten" zu verbessern - Widerspruch 3. Norbert Röttgen wollte sich am Tag 1 seines neuen Jobs nicht äußern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour