„Schwarz-Grüne“ Koalition in Österreich: In Tirol weht nun ein anderer Wind
Konservative und Grüne bilden in Tirol eine Koalition. Die Ökopartei will die öffentliche Verwaltung demokratischer und transparenter machen.
WIEN taz | Die Grünen werden in Tirol mitregieren. Mit der Einigung zwischen der ÖVP unter Landeshauptmann Günther Platter und den Grünen unter Ingrid Felipe werden die Ökos jetzt schon in die vierte von neun Landesregierungen einziehen. Gerade Tirol – katholisch-konservatives Kernland – wird ja von der ÖVP seit Menschengedenken als Erbpacht betrachtet.
Dementsprechend war das zentrale Anliegen der Grünen, mehr Demokratie und Transparenz in die öffentliche Verwaltung zu bringen. Ingrid Felipe, designierte Landeshauptmann-Stellvertreterin, gab sich am Dienstag in einer Pressekonferenz mit Platter optimistisch: „Wir werden versuchen, unser Land demokratisch durchzulüften.“ Das sei ein „mutiges Projekt“. Die Verhandlungen standen mehrmals auf der Kippe. Platter sieht die Meinungsverschiedenheiten positiv: „Spannung erzeugt Energie. Diese Energie werden wir benötigen.“
Bei den Landtagswahlen vom 28. April war die ÖVP auf den historischen Tiefststand von 39,3 Prozent der Stimmen gefallen. Die Grünen verbesserten sich auf 12,6 Prozent und wurden in der Landeshauptstadt Innsbruck sogar stärkste Partei. Zusammen kontrollieren die beiden Parteien 21 von 36 Sitzen im Landtag.
Die Grünen konnten sich bei der Verbilligung der Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr durchsetzen. Beim Ausbau von Skigebieten und neuen Wasserkraftwerken stießen sie aber auf Beton. Diese Fragen werden jeweils im „koalitionsfreien Raum“ beschlossen. Das heißt, die ÖVP sucht sich im Landtag die Stimmen anderer Parteien und die Grünen machen sich die Hände nicht schmutzig. Sie konnten lediglich im Koalitionsabkommen festschreiben, dass „Bedingungen für eine möglichst behutsame Umsetzung“ solcher Projekte zu schaffen seien.
Ressort Umwelt und Verkehr geht an die Grünen
Bei der heiklen Frage der illegalen Übertragung von Gemeindeland an Bauernverbände, musste Platter nachgeben. Ingrid Felipe sprach von einer Lösung, „die einer Rückübertragung gleichkommt“. Das fordert der Verfassungsgerichtshof seit Jahren. Verbindliche Fristen wurden allerdings keine gesetzt.
Die 34-jährige Betriebswirtin Ingrid Felipe selbst wird in der Landesregierung die Ressorts Umwelt und Verkehr übernehmen. Ihre Kollegin Christine Baur wird Landesrätin für Soziales. Die ÖVP behält die Kompetenzen für Finanzen, Landwirtschaft, Bildung, Kultur, Gesundheit und Gemeinden.
Der Erfolg der Grünen wird daran gemessen werden, inwieweit sie verhindern können, dass die ÖVP ihre traditionelle Klientelpolitik fortsetzt. Der Koalitionspakt war Montagabend vom ÖVP-Parteivorstand einstimmig abgesegnet worden. Bei den Grünen gab es die Zustimmung von 138 der 155 Delegierten und Standig Ovations für Ingrid Felipe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW