Schwan vor der Bundespräsidentenwahl: Unerschrocken in die Niederlage
Gesine Schwan bewirbt sich zum zweiten Mal als Bundespräsidentin. Unerschrocken glaubt sie an ihre Chance. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache.
BERLIN afp/dpa/taz | Sie hat unerschrocken gekämpft. Sie hat Fehler gemacht, vor sozialen Unruhen gewarnt und wollte die DDR nicht pauschal als Unrechtsstaat bezeichnet wissen. Dafür musste Sie viel Kritik einstecken. Gesine Schwan hat als SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten einen guten Job gemacht und Amtsinhaber Horst Köhler sogar zu ein bisschen Wahlkampf animieren können.
So strotzt sie voller Zuversicht für die Wahl am 23. Mai, zu der sie nach 2004 zum zweiten Mal antritt. Es wird eine aussichtslose Wahl werden, bei der Sie wohl auch in der Niederlage ihr herzliches Lachen nicht verlieren wird. Die Mehrheit der Bundesversammlung, gestellt von Wahlmännern der CDU/CSU, FDP und den Freien Wählern, hat Horst Köhler bereits ihre Stimmen versprochen. Spannend bleibt also nur noch die Frage, ob es Abweichler geben wird, die die Spannung erhöhen und einen zweiten Wahlgang erfordern.
Gesine Schwan ist das Gegenteil von Politikverdrossenheit. Die ehemalige Hochschulprofessorin will beweisen, dass Politik leidenschaftlich Spaß machen kann. Die 65-Jährige ließ sich auch nicht von ihren eingeschränkten Wahlchancen abschrecken und Umfrageergebnissen, die den bedächtigeren Amtsinhaber Horst Köhler mehrheitlich als Wunschbild eines Staatsoberhauptes sehen.
Für Wirbel sorgte die SPD-Kandidatin mit ihrer Warnung vor sozialen Unruhen wegen der Wirtschaftskrise. Sie fürchte eine "explosive Stimmung", sagte sie in Interviews. Politiker der Linken nahmen Schwan in Schutz, doch in ihrer eigenen Partei erntete sie viel Widerspruch. Anfang Mai sah sie sich deshalb genötigt, sich der Unterstützung der SPD-Spitze noch einmal persönlich zu versichern. Von ihrer Analyse nahm sie nichts zurück. Stattdessen sorgte sie wenige Tage vor dem Wahltermin erneut für Unmut in den eigenen Reihen mit der Äußerung, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen.
Es war nicht das erste Mal im Rennen um das Bundespräsidentenamt, dass Schwan mit eigenwilligen Aussagen von sich reden machte. Erst warf sie Köhler vor, er nehme "eine Erosion der Demokratie in Kauf", dann regte sie Volksentscheide für EU-Fragen an. Sie formulierte die These, die augenblickliche Lage sei viel mehr als eine Finanzkrise - nämlich im Kern eine "Kulturkrise". Schließlich plädierte die Kandidatin im Gegensatz zu führenden Sozialdemokraten für ein drittes Konjunkturpaket.
Mit ihren eigenen und teilweise den Parteilinien widersprechenden Ideen hat sich Gesine Schwan viel Antipathie aus allen Lagern eingefangen. Keine guten Voraussetzungen, um zur Bundespräsidentin gewählt zu werden. So haben sich nach ihren Äußerungen zur DDR die Freien Wähler aus Bayern, mit zehn Stimmen am Sonnabend das Zünglein an der Waage, erbost auf Köhler festgelegt. Ihr stellvertretender Bundesvorsitzende Hubert Aiwanger legte sich am Mittwoch gegenüber der Bild fest: "Die DDR-Äußerungen disqualifizieren Frau Schwan für das Amt. Die Position unserer zehn Wahlmänner für Köhler ist damit klar." Auch bei den Grünen und der SPD regte sich Widerstand. Harsche Kritik äußerte in der in Erfurt erscheinenden "Thüringer Allgemeinen" Thüringens SPD-Chef und Mitglied der Bundesversammlung Christoph Matschie. Es nerve ihn, "wenn Wessis eine theoretische Debatte über etwas führen, das sie nie selbst erleben haben". Er verstehe nicht, warum man einen Staat nicht Unrechtsstaat nennen könne, in dem systematisch Menschenrechte verletzt wurden.
Würde Gesine Schwan mit den Stimmen der Linken und Abweichlern aus dem konservativen Lager am Sonnabend doch ein Sieg gelingen, wäre das zwar auch ein Sieg für die Frauenbewegung, aber eine schwere Niederlage für die SPD-Bosse. Dann könnten sie sich einer Diskussion um eine rot-rote Zusammenarbeit auf Bundesebene nicht mehr entziehen. Ein Thema, das sie unbedingt vermeiden wollten. Gewinnt Köhler, dann ist das schon ein erster Schritt hin zu einer schwarz-gelben Koalition nach den Bundestagswahlen im Herbst.
Wie Gesine Schwan, die am 22. Mai 1943 in Berlin geboren wurde, das höchste Amt im Staate ausfüllen könnte, davon hat die vor einem Jahr aus Altersgründen aus dem Amt geschiedene Präsidentin der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder eine klare Vorstellung: Das Wichtigste sei mitzuhelfen, Politik nachvollziehbar zu machen und damit Vertrauen zu ermöglichen, kündigte die Politologin an. Als Bundespräsidentin will sie tun, "was ich in gewisser Weise auch als Politikprofessorin lange gemacht habe": aufzeigen, dass "die Politik nicht nur ein unangenehmer Kuhhandel ist".
Schwan blieb 2004 bei der Bundespräsidentenwahl mit 48,9 Prozent nur knapp hinter Wahlsieger Köhler und errang damit einen Achtungserfolg. Kurz darauf ernannte sie der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zur Polen-Beauftragten der Bundesregierung. Schröder würdigte sie zum 65. Geburtstag als "per se und im besten Sinne ruhelos".
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