■ Schwache Reaktionen der CDU auf einen gewieften Haushalt: Nur kein Sozialneid!
Nun hat also auch ein Finanzminister der SPD beim Haushaltsentwurf getrickst, hat kreative Buchführung betrieben, wenig gespart und statt dessen Tafelsilber verscheuert, obwohl er das noch vor kurzem als „Einmaleinnahme“ kritisiert hatte. Auch die neue Opposition darf sich also zu Recht echauffieren.
Ihre Kritik bleibt aber seltsam matt. Union und FDP sind überrascht, wie reibungslos die Operation Haushalt über die Bühne ging. Wochenlang hatten sich die Oppositionspolitiker darauf kapriziert, der Regierung vorzuwerfen, sie wolle ihren Haushalt erst nach der Hessenwahl vorlegen. Nun liegt der Haushalt rechtzeitig vor, wenngleich er noch nicht verabschiedet ist. Er entspricht zudem den Anforderungen des Grundgesetzes, wonach die Nettokreditaufnahme nicht größer sein darf als die Neuverschuldung. Und es gab nicht einmal nennenswerten Streit. Was will man von einem Haushalt mehr erwarten? Schließlich ist der Haushalt selbst nicht das politische Programm, sondern nur die mehr oder weniger trickreiche Finanzierung desselben. Insofern hat Finanzminister Oskar Lafontaine als Haushälter einen guten Job gemacht.
Die Kritik der Opposition fällt auch deshalb so kraftlos aus, weil die SPD Akzente gesetzt hat, die sich CDU und FDP selbst gerne auf die Fahne schreiben würden. Wie die Mehrausgaben für Bildung und Forschung in Höhe von einer Milliarde Mark. Die CDU kritisiert, daß es sich in Wahrheit nur um 500 Millionen handele, weil sie, die alte Regierung, ja auch schon eine Erhöhung um eine halbe Milliarde geplant hatte. Da spricht der blanke Neid.
Als Coup haben sich die erheblichen Mehrausgaben für das Kindergeld erwiesen, womit SPD und Grüne der CDU den Rang als familienfreundlichste Partei abgelaufen haben. Das Karlsruher Urteil zur Steuerentlastung für Familien bestätigt die Regierung nur. Auch in Kohls angeblicher Domäne, der Förderung Ostdeutschlands, hat die SPD Pluspunkte gesammelt mit neun Milliarden zusätzlicher Mittel.
All diese Segnungen sind natürlich nicht umsonst. Auch wenn die Neuverschuldung nominal nicht größer ist als bei der alten Regierung, gibt Rot-Grün effektiv mehr Geld aus und legt den größten Haushalt aller Zeiten vor. Mit dem erklärten Ziel, der Sanierung der Staatsfinanzen, ist sie daher gescheitert. Der Preis ist auch, daß nicht mehr Spielraum für eine wirklich effektive Steuerreform vorhanden war. Aber das ist nicht die Schuld des Haushalts. Mit ihm wird nur gewieft umgesetzt, was vor der Wahl versprochen worden war. Markus Franz
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