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Schusswaffengebrauch der PolizeiNicht so oft geballert

Schießen ist die Ausnahme: 2011 schossen Polizisten 36 mal mit ihrer Dienstwaffe auf Personen – sechs Menschen starben dabei. Das sind die Zahlen. Dahinter stehen Schicksale.

Die Polizei greift manchmal fest zu, aber nur selten zur Waffe. Bild: dapd

BERLIN taz | Im bayerischen Aichach eskaliert am Sonntag ein Nachbarschaftsstreit um einen Parkplatz. Als einer der Kontrahenten dabei zur Axt greift und seinen Nachbarn attackiert, flüchtet dieser und ruft die Polizei. Auch die alarmierten Beamten soll der 47-Jährige mit der Axt angegriffen haben. Einer der Polizisten schießt, der Mann stirbt im Krankenhaus. Nähere Angaben macht die Staatsanwaltschaft zurzeit nicht.

Der Tote in Aichach ist der zweite Mensch, der in diesem Jahr von der Polizei erschossen wurde. Im Vorjahr waren es sechs (2010: 7). Insgesamt schossen Polizisten bundesweit in 36 Fällen auf Personen (2010: 37), 15 wurden dabei verletzt (2010: 17). Dies geht aus der Polizeilichen Schusswaffengebrauchsstatistik 2011 hervor, die nun veröffentlicht wurde.

Das ist ein positiver Trend, denn die Zahl der Toten lag in zurückliegenden Jahren auch schon des Öfteren im zweistelligen Bereich. Es sei "erfreulich, dass die Tendenz aller Formen des Schusswaffengebrauchs durch Polizeibeamte gegen Personen weiter rückläufig ist", meint denn auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU), der die Statistik auf Drängen des Berliner Informationsdienstes Bürgerrechte & Polizei/CILIP veröffentlichte.

Doch was steckt hinter solchen nackten Zahlen? Schicksale wie diese: Am 19. Mai 2011 eskaliert im Jobcenter Frankfurt/Main ein Streit zwischen der 39-Jährigen Christy Sch. und ihrem Sachbearbeiter. Einen der hinzugerufenen Polizisten verletzt die Frau trotz dessen Schutzweste mit einem Messer; dessen Kollegin schießt daraufhin auf die Frau.

Im März dieses Jahres stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen die Beamtin ein, da diese in Notwehr gehandelt habe. Die Angehörigen von Christy Sch. haben Beschwerde eingelegt.

Ein weiterer Fall: Am 24. August 2011 soll in Berlin die psychisch kranke Andrea H. zwangsweise in eine Klinik eingewiesen werden. Eigentlich ein ebenso harmloser Einsatz wie der in Frankfurt. Doch Andrea H. wehrt sich und verletzt einen Polizisten mit einem Messer am Arm. Sein Kollege schießt auf die Frau und trifft sie tödlich in die Brust. Bereits im September stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten ein, und im Februar 2012 werden auch die dienstrechtlichen Ermittlungen gegen ihn eingestellt.

Nach einem Schuss "ändert sich das Leben vor und hinter der Waffe", heißt es bei der Polizei. Doch manchmal endet es leider auch.

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12 Kommentare

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  • R
    Rizo

    Jaja, ich weiß: Die böse, böse Polizei...so langsam wird´s echt lächerlich.

     

    Da wird versucht Polizisten mit Messern oder Äxten umzubringen, der Polizist wehrt sich, tötet den Angreifer in offensichtlicher Notwehr - und die Konsequenz für den Angreifer wird hier als "Schicksal" bezeichnet.

    Wenn der Cop tot am Boden gelegen hätte, dann hieße es wahrscheinlich "Berufsrisiko", stimmt´s?

  • W
    Wolfghar

    Ein harmloser Einsatz in Frankfurt?

     

    Tut mir leid das ihr das nicht rafft aber eine Attacke mit einem Messer ist nicht harmlos und da muss auch kein Polizist deeskalieren bis er verblutet ist.

     

    Keine Ahnung aber feste drauf los schreiben.

    Schreibt lieber über Dinge die ihr versteht.

    Frauen in Führungspositionen zB.

  • S
    Socke

    Wer sieht wie ein wildgewordener Mensch auf einen anderen einsticht - und das dann noch eine Kollegin, ja vielleicht auch eine Freundin ist - nur der kann verstehen warum jemand eventuell schießt um schlimmeres zu verhindern.

     

    Wer sich mit Gewalt gegen andere Menschen oder den Staat stellt muss damit rechnen mit Gewalt daran gehindert zu werden dies weiter zu tun. Mein Mitgefühl haben in allen hier geschilderten Fällen insofern die Beamten - denen die Entscheidung zum Gebrauch der Waffe sicher nicht leicht fiel.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    PS: Übrigens "ballern" Polizisten nicht mit ihrer Dienstwaffe. Auf so einen Gedanken können nur Schmierfinken kommen, deren höchste Qualifikation das Zufurzen ihres Sessel ist. (Toll, wenn der eigene Beruf so abqualifiziert wird, oder?)

  • D
    Demokratin

    Im Falle faschistischer Moslems Anfang dieser Woche in Bonn, hätte ich mir gewünscht, daß die Polizei viel früher von der Schußwaffe Gebrauch macht.

     

    Dann hätten wir jetzt zwei durch Messerattacken schwerverletzte Polizisten weniger.

  • S
    schwarzrot

    die ersten zwei patronen in den magazinen der bewaffnetten staatsmacht sollten gummigeschosse sein...

  • E
    emil

    ein problem ist vielleicht auch die fehlende kontrollinstanz für die polizei.

    sanktionen für fehlentscheidungen: fehlanzeige.

  • SD
    Stimme der Vernunft

    Jaja, die arme Polizei. Ständig diese Übergriffe aus dem Nichts und erst die Sehnenscheidenentzündung, wenn es mit dem Knüppel wieder ein bisschen doller wurde. Man hat es schon schwer, als Teil einer "Berufsgruppe", deren einzige Aufgabe darin besteht Menschen zu drangsalieren und misshandeln. Ganz ähnlich verhält es sich mit der armen Bundeswehr, die "unsere" Freiheit in irgendwelchen Ländern, die von den meisten Deutschen nicht mal auf einer Weltkarte gefunden würden, verteidigt.

     

    Wenn Sie mich fragen, ist es höchste Zeit diese ganze Saubande aufzulösen. Die machen alles nur noch schlimmer...

  • H
    Hannes

    Ein Problem ist sicher auch der fehlende Respekt von Polizisten gegenüber Bürgern. Viele Polizisten behandeln Bürger eher wie Untergebene oder wie Untermenschen

  • S
    Salatios

    Genau. ACAB.

  • UM
    urs müller

    @die stimmer der demokratie

     

    lesen sie einmal näheres zum vorfall in berlin: die frau war als psychisch gestört bekannt, der einsatz dauerte bereits eine stunde, eine einsatzhunderschaft(!) war vor ort. pro kilogramm opfer sozusagen zwei polizisten in voller kampfmontur. so einen einsatz mit todesfolge zu beenden ist unfassbares amtsversagen und in der breite nur mit der augenscheinlich extrem minderen qualität der polizeiamtsbewerber zu erklären.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Ein Problem ist vielleicht auch der fehlende Respekt vor Polizisten. Jeder Arsch meint, man könne ja jeden Polizisten bedrängen oder angreifen. Die Beurteilung über die Schwere des Angriffs überlässt man gerne den Beamten. Reagiert er übertrieben, dann haben wir wieder einen typischen Fall von Polizeigewalt. Reagiert er zu vorsichtig ... Pech gehabt. Aber diese Schicksale sind ja egal, wenn man nur daran interessiert ist, dass die Bürgerrechte nur nicht eingeschränkt werden.

    Man sollte noch mehr Risiko auf Polizisten verlagern, damit die Bürger weiterhin Spass haben können.