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Schulverweigerung vor GerichtJugendamt für Schwänzer zuständig

Ein Gericht in Hamm hat den Eltern eines Schulschwänzers das Recht entzogen, dessen schulische Angelegenheiten zu regeln. Jetzt soll das Jugendamt eingreifen.

Eltern müssen dafür sorgen, dass ihre Kinder zu Schule gehen, urteilt das Gericht. Bild: dpa

HAMM dpa | Eltern können vom Jugendamt verpflichtet werden, einen notorischen Schulschwänzer zum Unterricht zu schicken. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat einem Ehepaar aus dem Kreis Warendorf das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten ihres Sohnes entzogen und auf das Jugendamt übertragen.

Die Eltern müssen jetzt dafür sorgen, dass der Elfjährige trotz seiner Schulunlust zum Unterricht geht, entschied das Gericht in einem am Montag veröffentlichten Urteil vom 12. Juni (AZ: 8 UF 75/12 (pdf-Datei)). Sie hatten es abgelehnt, ihren Sohn gegen seinen Willen auf eine öffentliche Schule zu schicken.

Der Junge hatte bereits im ersten Schuljahr an über 40 Tagen gefehlt. Weitere Versuche, das Kind an anderen Grundschulen zu integrieren, scheiterten bereits nach wenigen Tagen. Zuletzt unterrichtete die Mutter, eine Informatikerin, den Jungen.

Die Eltern hätten in der Erziehung versagt, befand das Gericht unter Berufung auf das Gutachten eines Sachverständigen. Sie setzten dem Kind keine Grenzen und Regeln, Pflichten seien dem Jungen deshalb unbekannt. Die Mutter könne ihm trotz ihrer Ausbildung nicht sämtliche Lerninhalte einer weiterführenden Schule vermitteln.

Der in der Familie gut integrierte Junge könne aber zumindest vorerst im familiären Umfeld bleiben, entschieden die Richter. Die Eltern behalten deshalb das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr Kind.

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8 Kommentare

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  • ND
    Nicht der Staat

    [Teil 2]

     

    Art 12 (1) (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.

     

    Aber das Kind darf sich nicht die Ausbildungsstätte "zuhause" wählen; da wäre es wohl zu weit ausserhalb der Fänge des Staates.

     

    Art 19 (1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

    Art 19 (2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

     

    Die sogenannten Schulgesetze der Länder schränken einige Grundrechte massiv ein (s.o.), nennen jedoch nicht - wie im Grundgesetz ausdrücklich gefordert - explizit die eingeschränkten Grundrechte (Seht bitte selbst für Euer Bundesland nach!). Sie sind damit nach Meinung der meisten Juristen ohne weiteres Verfahren nichtig und müssen damit nicht befolgt werden. Es gibt somit faktisch keine gültige Schulpflicht. Dass hindert die Diener des "Staates" jedoch nicht daran, notfalls mit Waffengewalt den Menschen ihre Freiheit zu nehmen.

     

    Soviel zum tollen "freiheitlichen Rechtsstaat" und der Realität!

  • L
    Leo

    Die Eltern setzen dem Kind keine Grenzen? Die schwarze Pädagogik lässt grüßen. Diese Eltern wären als linker Sicht zu belobigen, nicht zu kriminalisieren. Offenbar geht es dem Kind gut, die künftige Gefährdung des Kindeswohls ist reine Fiktion. Das Urteil mit seinem kaum verhohlen ideologischen Charakter zeigt eigentlich, wie dünn Schule, der massivste Grundrechtseingriff des deutschen Staats, rechtlich eigentlich begründet und zu welche abenteuerlichen Konstruktionen die Gerichte greifen müssen, um die Kinder nach wie vor in dieses System zu zwingen. Die Schulpflicht gehört ebenso wie das (immer noch) autoritäre System, in dessen Dienst sie steht, auf den Müllhaufen der deutschen Rechtsgeschichte.

    • I
      irmi
      @Leo:

      Aber ohne staatl. Schulbildung gibt es auch keine Berufsausbildung. Was aber sicher kommen wird ist Hartz IV. Dann müssen Sie dieses Kind mitfinanzieren.

       

      Daran schon mal gedacht. ??

       

      Muss der Steuerzahler nicht schon mehr als genug finanzieren ???

       

      Wenn der Staat nicht zur Schulpflicht aufruft, wenn sich herumsprechen würde, das es diese eigentlich nicht gäbe, was glauben Sie wie viele Kinder dann nicht mehr zur Schule gehen ?

      Man muss über den Tellerrand sehen was dann aus den Kindern und aus Deutschland wird, wenn Kinder keine Regeln mehr kennen und sich nicht bilden für die eigene Zukunft.

  • Mit dieser Maßnahme wird man dem Kind ganz sicher keinen Gefallen tun. Man kann ein Kind zwingen, seine Zeit in der Schule abzusitzen, es in ein Heim stecken (womöglich gar in die Haasenburg??) oder es in den Knast schicken.

    Man kann es aber nicht dazu zwingen zu lernen, sich am Unterricht zu beteiligen oder sich in die Klasse zu integrieren.

    Wenn in Deutschland Hausunterricht erlaubt wäre,unter strengen Auflagen natürlich ( wie zB mit strikten Stoffvorgaben und vierteljährlichen Prüfungen, um Wissenslücken und ein eventuelles Sektenumfeld rechtzeitig zu entdecken), dann hätte dieses Kind deutlich bessere Chancen auf einen Schulabschluss.

    • G
      gast
      @Gabriel Peifer:

      Solchen Heimunterricht soll dann auch der Steuerzahler finanzieren ??

       

      In vielen Ländern sind Kinder dankbar und glücklich wenn sie in die Schule gehen können. Hier scheint immer mehr abhanden zu kommen, das Bildung die Zukunft eines Kindes ist.

       

      Wenn man denkt die Kinder müssten das nicht, dann sollen diese Kinder auch keine staatl. Hilfe bekommen, Hartz IV was auch immer.

  • K
    Kartoffelkäfer

    Was sind denn das für Eltern, die ihr Kind nicht zur Schule schicken? Was soll denn aus dem Kind werden, ganz ohne einen Abschluss ist H4 ja schon vorprogrammiert, wenn nicht sogar der Weg in die Kriminalität oder später Depressionen. Da wird die Zukunft des Kindes verspielt und die Gesellschaft wird die Kosten tragen müssen, insofern ist es nur richtig wenn der Staat jetzt durchgreift damit das Kind zur Schule geht und zumindest seine Chance bekommt. Ob das Kind sie be- und ergreift wird man dann sehen.

    • SN
      Schule - nein danke!
      @Kartoffelkäfer:

      diesen Fehlschluss erkennen zum glück auch immer größere Firmen:

       

      Mein aktueller Sommernewsletter:

       

      Liebe Freunde, Mitstreiter, Mitdenker oder auch nur Mitleser (vom NSA und BND),

       

      die gute Nachricht vorweg, die Deutsche Bahn hat jetzt als erstes großes Unternehmen beschlossen, künftig von den Bewerbern für ihre 4.000 jährlich zu vergebenen Ausbildungsplätze keine Schulzeugnisse mehr sehen zu wollen. Aus denen ließe sich sowieso nicht erkennen, was jemand draufhat... Nun wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis andere Unternehmen diesem Beispiel folgen und wenn der Zug weiter in diese Richtung abfährt, wird sich Schule schneller neu erfinden müssen, als das mancher heute noch für möglich hält ...

       

      Den ganzen Newsletter können Sie hier lesen:

       

      http://6098.seu.cleverreach.com/m/6454629/

      • G
        gast
        @Schule - nein danke!:

        welche Arbeiten dürfen dann Kinder ohne Schulausbildung oder schlechten Zensuren dann ausüben.

         

        Gleise putzen, den Schotter reinigen, oder gar mit der Pfeife die Zugabfahrt freigeben ?

         

        Weil wir dann immer mehr Jugendliche hätten die keine Jobs haben, holen wir uns dann die Fachkräfte verstärkt aus dem Ausland ?? Das ist doch krank.

         

        Das ist doch krank. Wenn man merkt ein Kind hat Probleme dann sollte geforscht und gefördert werden, aber sicher nicht die Kinder aufzugeben, sie einer ungewissen Zukunft überlassen.